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entgegen. Aber auch die Wirklichkeit nimmt gleich am Eingange ihren
Anfang. Da, auf dem Rasenplatz rechts, steht zunächst der Circus, die
Herzensfreude kleiner und großer Kinder; dann das Hippodrom mit seinen
lebensmüden Gäulen und den glücklichen Sonntagsreitern, und dann
weiter wieder die hölzernen Hütten mit den hundert Merk- und Sehens-
Würdigkeiten, den Menagerien, den Weltwundern, und auf riesengroßen
Leinwänden sind die Ungeheuer noch fürchterlicher gemacht, und diese
Gemälde, dies exotische Schreien und Pfeifen, Girren und Brüllen im
Innern lockt die Leute, so daß vor dem Eingange stets ein dichtes Ge-
dränge ist. Auf dem Rasenplatze stehen auch noch Buden mit Früchten
und Gebäcke, ein Kroate mit Schwamm und Feuersteinen, ein Mann mit
Spazierstöcken und einer mit einem Leierkasten und einem Hunde darauf,
der gar aufrecht stehen und mit dem Schwerte in seiner Pfote schultern
kann. — An all' diesen Dingen vorüber geht der breiteste Menschenstrom
in die sogenannte Hauptallee hinein; denn dort ist heute die höchste, hohe
und niederste Wienerwelt zu sehen — was an Pracht der Kleider, der
Dienerschaft und Equipagen nur immer Laune und Reichthum ersinnen
konnte, ist heute in der Hauptallee zu sehen. Zu beiden Seiten sind
schattige Alleen, eine für die Fußgänger, die andere für die Reiter; mitten
in der Straße fahren viele Tausend Wagen, einer hart an dem andern,
der Sicherheit wegen auf einer Seite hinab, auf der andern hinauf, und
diesen Kreis machen viele oft mehrmals, um zu sehen und um gesehen
zu werden — das ist nun eigentlich der Ort, wo sich Farbe an Farbe
drängt, Reiz auf Reiz, Pracht auf Pracht, Masse an Masse, so daß Dem
schwindelt, der es nicht gewohnt ist. Zu beiden Seiten der Straße stehen
dichtgedrängt die Zuschauer, und hinter ihrem Rücken wogt der bunte
Strom der Spaziergänger, während in der Mitte Wagen an Wagen
rollt, eine glänzende, schimmernde Linie, wohl über eine halbe Meile
lang. Dort schwebt in ihren: Wagen die Dame des höchsten Standes,
prachtvoll einfach gekleidet, mit wenigen, aber kostbaren Schmuckstücken
geziert, gleich hinter ihr die Familie eines reichen Bürgers, dort ein
Wagen voll fröhlicher Kinder, die ihres Staunens und Jubelns kein
Ende finden über die Pracht, die sie umgiebt; hier kommt ein Mann
ganz allein in seinem Wagen stehend und mit den vier unvergleichlichen
Pferden zum ersten Male paradirend; jetzt sprengen Reiter vorüber und
grüßen die in einem Wagen sitzenden Damen, dort sitzt ein alter Mann
einsam in seiner schweren Carosse, er ist in feines Schwarz gekleidet und
trägt viele winzig kleine Kreuzlein auf der Brust; dann kommt ein Fiaker
mit seligen Kaufmannsdienern oder Studenten — dann Andere und
wieder Andere — und so siehst Du ein Schauspiel, wie es Dir doch
nur der Prater bieten kann. Nur der muntere Hirsch, der vor kurzem
noch so ganz nahe an der geputzten Menge Halt machte, das stattliche
Geweih zurückhaltend und in das Gewühl glotzend, ist hier nicht mehr
zu schauen. Die moderne Cultur, die den alten Prater nach dem Muster
des Bois de Boulogne zustutzt und bekiest, sie hat ihn aus seinem hundert¬