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§ 9. Tie Hauptgestalten der Württembergischen Geschichte.
Menschen hinwegraffte. Voll Entsetzen darüber schob man die Schuld auf die
Juden, warf ihnen vor, die Brunnen vergiftet zu haben, und an vielen Orten,
z. B. in Stuttgart, Reutlingen, Eßlingen, kam es zu grausamen Juden-
Verfolgungen. Andere erblickten in der furchtbaren Seuche ein Straf-
gericht Gottes und suchten durch Selbstpeinigungen Gottes Zorn zu versöhnen.
Es bildeten sich Gesellschaften von Geißelbrüdern oder Flagellanten, die
umherzogen und unter feierlichen Gesängen sich blutig schlugen. Bald schloß
sich allerlei Gesindel an und erlaubte sich Raub und Plünderung, so daß man
mit Gewalt dem gefährlichen Treiben ein Ende machen mußte. Zu allem
Unglück kamen noch innere Kämpfe; Fürsten, Ritter und Städte befehdeten
sich in blutigem Streit, und oft genug fehen wir den Grafen Eberhard darein
verwickelt, der anfangs gemeinschaftlich mit feinem Bruder Ulrich IV. regierte,
bis er (i. I. 1366) zur Alleinherrschaft gelangte.
Im Jahre 1367 weilte Graf Eberhard in Wildbad', da übersielen ihn
die Grasen von Eberstein mit zahlreichen Rittern, darunter Wolf von Wuuuen-
stein, ohne Absagebrief. Allein rechtzeitig von einem Bauern gewarnt, konnte
sich Eberhard in der Nacht auf die Burg Zavelstein flüchten. Das arme
Städtchen aber wurde geplündert und verbrannt. Eberhard baute es wieder
aus und besestigte es durch eine Ringmauer. Auf Befehl des Kaisers, der
die Friedensbrecher in die Acht erklärte, verwüstete sodann Eberhard das
Gebiet der Ebersteiner, bis nach längerer Fehde eine Versöhnung zustande kam.
In der Folge hatte Graf Eberhard besonders mit den Städten zu
schaffen. Diese schlössen den Schwäbischen Städtebund, um ihre Rechte
und Freiheiten gegen Fürsten und Adel zu wahren, insbesondere auch gegen
Eberhard, in dem sie ihren Todfeind erblickten. Bald darauf kam es zum
Kampf. Der Kaiser Karl IV., ein Gegner der Städte, belagerte mit dem
Grafen Eberhard vergebens Ulm, wobei zum erstenmal in Deutschland das
Schießpulver zur Anwendung kam. Zum Dauk sür die glückliche Errettung
begannen die Ulmer den Bau ihres Münsters i. I. 1377. Im gleichen
Jahr erlitt Gras Ulrich, Eberhards Sohn, vor Reutlingen eine empfind-
liche Niederlage. Nachdem der Krieg zwei Jahre lang gedauert hatte, und
von beiden Teilen großer Schaden angerichtet worden war, wurde Frieden
geschloffen. Aber er war nicht von langer Dauer. Der Städtebund er-
wetterte sich immer mehr. Die Edelleute ihrerseits schlössen sich in Ritter-
bündnissen zusammen, wie in dem „Löwenbund", uud i. I. 1388 brach der
große Städtekrieg aus.
Das Heer der Städter, namentlich Ulmer, Augsburger, Nürnberger,
drangen unter gräßlichen Verwüstungen mitten durch Württemberg bis nach
Weilderstadt vor. Dort erfuhren sie, daß die Bauern sich und ihre Habe in
den befestigten Kirchhof von Döffingen geflüchtet hatten. Um sich diese
Beute nicht entgehen zu laffeu, stürmten sie den Kirchhof. Aber in aller
Stille bot Eberhard seine Mannschaften auf, rief seine Bundesgenossen herbei,
überraschte die Feinde und brachte ihnen eine vollständige Niederlage bei. Der
Sieg war freilich teuer erkauft; unter den Gefallenen war auch Graf Ulrich,
welcher, der Schmach von Reutlingen eingedenk, allen voran gegen den Feind
gestürmt war. Aber die Macht der Reichsstädte war gebrochen; ihr Bund
löste sich auf. Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, so hätte sich wohl
Schwaben an die Schweizerische Eidgenossenschaft angeschlossen, die eben damals
sich siegreich gegen Österreich behauptete, und die Grafen von Württemberg
wären in eine unbedeutende Stellung herabgedrückt worden. Nun aber hatte