Die deutschen Landschaften und Stämme, 41
b) Die mittlere Zone der Sandlandschaften, Seen und Moore. Nordwärts
der Lößzone nehmen ausgedehnte Sandflächen, die den Schmelzwässern der
Gletscher entstammen, weite Strecken ein; sie sind entweder Heiden (z. B. die
Tuchler Heide an der Brahe in Westpreußen und die Gegend um Lüneburg im
Hannoverischen) mit vorwaltender Schafzucht oder erbringen nur mäßige Ernten
an Kartoffeln, an Roggen, Gerste oder Hafer. Ausgedehnte Reviere sind ferner
mit Kiefernwaldungen bedeckt.
Stellenweife wechselt in diesem Teile der Niederung mit dem dürren Sand
tonreicher Boden. In solchen Gebieten wird dann auch die Arbeit des Land-
manns besser gelohnt. Vorpommern und Mecklenburg sind geradezu wohl-
habende Bauernländer.
Im nordwestlichen Teil der Mittelzone wird der Abfluß des Wassers auf
den Sandflächen vielfach gehemmt; daher sinden sich hier häufig Moore, deren
hauptsächlichste Produkte Torf, Buchweizen und spärliches Getreide sind.
Im ganzen ist die Mittelzone der Nordgermanischen Niederung wenig
ertragsfähig. Dagegen eignet ihr eine Verkehrslage von höchster Wich-
tigkeit; ist sie doch das Bindeglied zwischen den an Naturprodukten so reichen
Staaten Osteuropas und den industriereichen Ländern Westeuropas.
Demzufolge entstand hier und zwar hauptsächlich in der großen Tieflands-
mulde, die einst das gemeinsame Bett der norddeutschen Ströme gewesen, nament-
lich an jenen Stellen, wo sich mit der westöstlichen Hauptverkehrslinie die Bahnen
des nordsüdlichen Verkehrs schneiden, die zweite Reihe wichtiger Siedelungen
des Germanischen Tieflandes: die Städte Brandenburg, Potsdam, Berlin,
Frankfurt a. O., Küftrin, Posen, Bromberg, Thorn. Im Herzen der
nördlichen Niederung erwuchs naturgemäß die Hauptstadt des größten Staates
und späterhin des Deutschen Reiches, Berlin (2 Mill. E.). Insbesondere mit
der Ausdehnung des Verkehrs kamen auch die Vorzüge der geographischen Lage
Berlins in der Mitte des Norddeutschen Tieflandes immer mehr zur Geltung.
Heute ist Berlin nicht nur der politische Vorort des Deutschen Reiches, sondern
auch ein Brennpunkt wirtschaftlicher und geistiger Kultur, die größte Industrie-
stadt Deutschlands und eine der großen welthistorischen Metropolen, in denen
die Völkergeschicke entschieden werden. ^
c) Die Küstenzone. An der Küste, wo Schlamm und Schlick des Meeres
sich mit den jüngsten Ablagerungen der Flüsse vereinigen, bildete sich der schwere
Marschenboden, der sich wie ein Saum um das belgische, holländische und
deutsche Binnenland legt und fette Wiesen und goldne Weizenfelder trägt. Hier
an den Gestaden des Meeres, wo der Welthandel seine Stapelplätze hat, liegt
die dritte Städtefolge der Niederung: Emden, Bremen, Hamburg, Kiel,
Lübeck, Stettin (225000 E.), Danzig (160000 E.) und Königsberg
(220000 E.).
Bevölkerung. Die deutschen Küsteninseln der Nordsee und die Marschen-
küste vom Dollart bis zur dänischen Grenze bewohnt der kerndeutsche Stamm
der Friesen, der unserer Kriegs- und Handelsflotte die trefflichsten Matrosen
liefert, der durch seine Deichbauten dem Meere den fruchtbaren Schwemmland-^