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auch standen die großen, dunkeln, unter schwarzen Brauen ernstblicken¬
den Bugen wohl zu der weißen haut des Gesichtes. Ls geschah des¬
halb auch, daß manch einer, den anfänglich wohl der Reichtum der
Zoppin mochte angezogen haben, um ihrer selbst willen nach dem wild¬
berg hinaufstieg. Um diese Zeit saßen in der großen Wohnstube ihres
Hauses an manchem Sonntag mehr Gäste als in den Schenken. Selbst
die Bltdorfer Herrensöhne ließen sich den weg nicht reuen und klopften
unter dem Vorwand, daß ihr Besuch dem Bruder gelte, bei der Zoppin
an. Unter ihnen war einer, eines Statthalters Sohn, der es vermochte,
der Julian« ein Rot in die Wangen zu jagen, und bei dessen Kommen
in ihren Bugen ein Bufleuchten war,- aber seltsam, als sein Wesen
erraten ließ, daß er danach verlange, eine Frage zu tun, die ihm am
Herzen lag, verwandelte die Juliana sich jäh, vermied seine Gesell¬
schaft und suchte ängstlich die Nähe des Bruders, so jenem die Gelegen¬
heit nehmend, sich ihr zu offenbaren. Nach einiger Zeit, von ihrer
Zurückhaltung vertrieben, blieb er weg. Später aber, da er längst
sich mit andrer Wahl getröstet, saß sie eines Tages mit ihm und dem
Bruder in derselben Stube zusammen, die Hand in die auf dem Tisch
ruhende Faust des letzteren gelegt, und in sonderbar schwerem Ton
sagte sie: „Zwei Tage und zwei Nächte haben wir beide, Gerold und
ich, gelebt, die uns zusammengegeben haben, so daß wir nicht mehr
voneinander können!" Da wußte der einstige Freier, daß sie ihm
das sagte, damit er ihr früheres Wesen verstehe.
wie die Erinnerung an die zwei Tage und Nächte, da sie vor den
welschen geflohen, die Geschwister nicht verließ, so konnten sie das
Gefühl des Trostes nicht vergessen, das damals jedes aus des andern
Nähe gesogen. Bus der Erinnerung heraus aber entstand ihnen ein
Empfinden der Zusammengehörigkeit, das immer noch wuchs und so
stark und gewaltig wurde, daß es alle andern Herzensregungen
überwand.
Buch des Gerolds Stunde kam. Line junge, blonde, feine Magd
ging im Hause, eine Waise und eines braven Hauses Kind. Die Julian«
war ihr gut, und allmählich kam es, daß des Gerolds Stimme, wenn
er zu der Magd, der Lena, sprach, einen ffemden, weichen Ton annahm,
daß sein Blick ihr sinnend folgte und die Schwester ihn manchmal in
tiefem Sinnen traf, aus dem er schwer und wie verwirrt erwachte,
wie aber zeit ihres Lebens noch kein böses Wort zwischen den Ge¬
schwistern gegangen war, so fand auch jetzt die Juliana die offene Rede,
die alles zwischen ihnen klar werden ließ, wie es immer gewesen. Sie
saßen allein beisammen an dem langen Eßtisch ihrer Stube, als die
Juliana anhob: „Du bist anders letzlich, Gerold."
Tr stützte beide Brme vor sich auf die Tischplatte und sah sie an.
„Bnders?" ffagte er, und es war, als röteten sich seine Wangen flüchtig
und leise, aber sein Blick war offen und fest wie immer.