Full text: Allgemeine Erdkunde: Physische Erdkunde, Die Erde und das Leben, Wirtschaftsgeographie, Die Beziehungen des Deutschen Reiches zur Weltwirtschaft, Das Deutschtum im Auslande, Bilder zur Siedlungskunde (Teil 7)

128 Die Beziehungen des Deutschen Reiches zur Weltwirtschaft, 
infolge der amerikanischen und galizischen Konkurrenz. Wichtig ist für uns die Gra- 
phitausfuhr, die besonders aus dem Ssajanischen Gebirge in die Bleistiftfabriken 
Nürnbergs geleitet wird. Außerdem bezieht unsere elektrische Industrie Kupfer aus 
dem Kaukasus. Als Verkäufer kommen wir für Russisch-Asien nicht in Betracht. 
Eine hohe Bedeutung hat jedoch Sibirien für den Eisenbahnverkehr nach 
Kiautschou. Die Russen haben uns in der Sibirischen Bahn neben der alten zeit- 
raubenden Seeverbindung um Südasien (von Bremerhaven nach Tsingtau 50 Tage) 
einen Weg geschaffen, der uns in 17 bis 22 Tagen nach Tsingtau bringt. 
Das britische Kaiserreich Indien treibt einen sehr bedeutenden Handel mit uns. 
Es liefert uns die meiste Baumwolle nächst der Union. Jute, Reis (9mal so viel wie 
Siam), Rindshäute, Leinsaat und Pflanzenfette, Kautschuk, Schellack und Erze. Wir 
senden nach Indien Web-, Eisen- und Kupferwaren, Farbstoffe, Bier und Spielzeug. 
§ 91. Das Interesse der Deutschen konzentriert sich immer mehr auf unsere Pachtung 
Kiautfchou. Bei seiner Lage unter der Breite Gibraltars und bei seiner räum- 
lichen Kleinheit ist dieser Besitz anders zu bewerten als unsere Kolonien in der 
Südsee und in Afrika. Deutsch-Kiautschou ist etwa doppelt so groß wie das 
Staatsgebiet Bremens oder so groß wie der Bodensee. Dazu tritt noch ein gleich 
großes Meeresgebiet, die dem Jadebusen ähnelnde Wasserfläche. Bei diesen Ver- 
Hältnissen kann Kiautschou nicht als tropische Pflanzungskolonie, sondern lediglich 
als eine Handtlskolonie in Frage kommen, die infolge ihrer Entfernung und 
ihrer isolierten Lage starken Schutzes bedarf. 
Sein Hafen ist geräumig und eisfrei, hat eine gute Einfahrt zwischen beträcht- 
lichen Bergeserhebungen, sicheren Ankergrund, Schutz gegen Wind und Wetter wie 
gegen feindlichen Angriff, Raum für ausgedehnte Stadtanlage und ein gesundes Klima. 
Die Zuflüsse zur Bucht sind bedeutungslos. Ihre Betten sind breit, aber 
wasserarm. Sie verwandeln sich zuweilen in reißende Ströme, sind jedvch meist 
erfüllt von Sand und Geröll. Ihr Wert besteht darin, daß sie natürliche Wege in 
das Hinterland, in die zwar chinesische, aber in ihrer ganzen Ausdehnung deutschen 
Unternehmungen vertragsmäßig geöffnete Provinz Schantung bilden. Dieses Gebiet, 
das halb so groß wie das Königreich Preußen, aber ebenso volkreich ist (schätzungs- 
weise 223 bis 269 Menschen auf 1 qkm), besitzt wenige natürliche Zugangslinien und 
hatte deshalb bisher geringen Nutzen von seiner Küstenlage. Nur an der Westgrenze 
ermöglichte der Hoangh^, dessen Anschwemmungen das Gebirge landfest und zur 
Halbinsel gemacht zu haben scheinen, und der ziemlich verfallene Kaiserkanal einen 
beschränkten Wasserverkehr. Die Landstraßen, selbst die nach dem Vertragshafen 
Tschifu, sind in schlechtem Zustande und nur in geringer Zahl vorhanden. Daher 
bewegte sich der Verkehr meist auf dem Rücken der Maultiere und auf zweirädrigen 
Karren. So waren Massengüter nur auf kurze Entfernungen marktfähig, und die 
wirtschaftliche Erschließung des dichtbevölkerten Gebietes durch Tschifu blieb aus. 
Durch Schantung zieht sich nun eine etwa 159 km lange und 199 km breite 
Furche vom Golfe von Tschili im N nach der Kiautschou-Bucht im 8. Längs des 
Gebirgsfußes bedeckt sie eine 29 bis 39 m mächtige Lößschicht. Ihre dichte Bevölkerung 
blieb im Gegensatz zu den Südchinesen ohne größeren Handelsgeist. Sie liebt Hausier- 
und Kramhandel sowie Kleingewerbe (Strohflechterei, Töpferei, Lederbereitung, 
Farben- und Glasherstellung, Steinschneiden und -schleifen, Rohseideerzeugung). 
Schantung bildete bisher ein Land der Wochen Märkte. Alle Gewerbtreibenden 
sind zugleich Ackerbauer, die vom Klima wesentlich unterstützt werden. Der an 
Kälte dem deutschen ähnliche Winter bringt meist klaren Himmel und kräftige 
Sonnenbestrahlung, so daß Eis und Schnee sich nicht lange halten. Die im Jahres- 
durchschnitt 69 cm nur wenig übersteigenden Niederschläge fallen meist (69%) 
infolge des Monsuns im Sommer, wo die Pflanzen der Feuchtigkeit hauptsächlich 
bedürfen. Hirse und Weizen sind die ertragreichsten Getreidearten, auch Tabak,
	        
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