B. Die Erde und das Leben.
1. Pflanzen- und Tiergeographie.
A. Pflanzengeographie.
§ 54. I. Bedingungen für die Pflanzenverteilung auf der Erde. Die Lehre von
der Pflanzenverteilung und ihre Begründung heißt die Pflanzengeographie.
Auch die organische Erdnatur wird durch die Gesetze der Mechanik, Physik uud
Chemie beherrscht. Die Verteilung der Pflanzen ist zunächst vom Klima (Warme,
Niederschläge, Wirkung des Sonnenlichtes und der Winde) abhängig. Während
mit abnehmender Temperatur und Feuchtigkeit die Zahl der Pflanzenarten wie
die Mannigfaltigkeit ihrer Formen, Farben und Früchte geringer wird und ge-
wiffe Pflanzenfamilien, wie Palmen, Sagobäume und Bananen, und gewisse
Formen (z. B. Gras- und Farnbäume) nur in Gegenden mit hoher Wärme und
bedeutenden Niederschlägen auftreten, wirkt die Beschaffenheit des Bodens
nur auf die besondere Verteilung der Arten und Formen innerhalb eines Länder-
gebietes. Dies schon deshalb, weil die verschiedenen Bodenarten fast sämtlich in
allen Klimaten vorkommen. Auch die Erdwärme ist nicht ohne Einfluß, iuso-
fern sie durch die Bodenart mehr oder weniger zur Geltung kommt. Es wirkt
auch der Böschungswinkel des Bodens und die Lage der Abhänge zu den ver-
schiedenen Himmelsrichtungen in einem beschränkten Gebiete sehr wesentlich. End-
lieh kommt der jetzige und der einstige Zusammenhang der Ländermassen
bei der Pflanzenverteilung in Betracht.
§ 55. II.Pflanzenwanderung,AnpassunganveränderteklimatischeBedingnngen.
Die Pflanzenwelt oder Flora des jetzigen Erdzeitalters lehnt sich in ihrer
Verteilung über Land und Wasser an den Ausgang der Tertiärperiode an.
Denn mit deren Abschlüsse find die großen Pflanzenprovinzen gegeben, wie
sie im ganzen noch heute bestehen. Aber die Grenzen dieser Provinzen sind
durch die mannigfachen Veränderungen, die das Antlitz der Erde auch in der
Quartärzeit erlitten hat, an vielen Stellen verwischt oder sind überschritte«
worden durch die Wanderungen der Pflanzen. Denn Winde, Meeres-
ftrömungen, Tiere und namentlich der Mensch haben die Keime neuen
Lebens in Gegenden befördert, die ihnen ursprünglich verschlossen waren.
Pflanzenprovinzen, die einen ganz endemischen (d. i. ortsangehörigen, nicht von
fremden Elementen berührten) Charakter trugen, haben diesen durch die Eiusüh-
rung fremder Pflanzenkeime zum Teil eingebüßt, und die verwandten Gürtel der
Erde haben die Geschöpfe ihrer Floren ausgetauscht. Die Gebiete, die den ge-
nannten bewegenden Kräften am wenigsten oder der Besiedlung durch Menschen
anderer Erdgürtel am spätesten ausgesetzt waren, haben um so mehr ihren en-
demischen Charakter bewahrt. Dies trifft vor allem auf das Australische Festland
und die südlichsten Inseln des Atlantischen und des Indischen Ozeans zu. Unter-
stützt werden die Wanderungen der Pflanzen durch ihre Anpassungsfähigkeit.
Denn wenn sie auch von Klima und Bodenbeschaffenheit abhängig bleiben,
so haben sie doch auch die Fähigkeit, sich den mäßig veränderten Bedingungen
eines neuen Standortes und eines ähnlichen Klimas anzuschmiegen, ja sie zeitigen
oft unter diesen neuen Bedingungen wertvollere Früchte als unter den alten.
Die heutige Pflanzenwelt ist ebenso wie die Tierwelt als das Ergebnis einer