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Was würdet ihr Binder dazu sagen, wenn auf einem fröhlichen Spa¬
ziergange ein gewaltiger Bär auf euch losstürzte und euer junges
Leben mit seinen mächtigen Klauen vernichtete? Genau so ver¬
hält es sich mit euch selbst gegenüber den kleinen Geschöpfen, nur
mit dem Unterschiede, daß der Bür nicht weih, dasz er unrecht tut.
Ihr aber wißt es, übertrefft also das wilde Tier noch an Grausamkeit.
Wollt ihr nun, wackere Kinder, solche Feiglinge sein, die über schwache,
wehrlose Tierchen herfallen?
Leider sind häufig selbst Erwachsene sehr grausam gegen Tiere.
Wie roh gehen oft Viehtreiber, Metzgerburschen, Fuhrleute mit den
armen Tieren um! Habt ihr nicht schon einmal gesehen, wie ein
Pferd vor einem schweren Lastwagen sich unter Aufbietung aller
Kräfte abmühte, den Wagen vorwärts zu bringen, immer wieder
von neuem, aber immer wieder- vergebens? Warum? Einfach,
weil dem Tiere eine zu große Last aufgebürdet wurde, die seine
Kräfte überstieg, oder weil die Räder zu tief in den lehmigen Boden
einsanken. Da peitschte denn der Fuhrmann wütend auf das Pferd
los, und es standen wohl Dutzende von Menschen als müßige Zu¬
schauer dabei. Es wurde viel geschrien; aber keiner dachte auch nur
daran, dem armen Vieh zu helfen. Wenn ich so etwas sah, griff
ich ohne Zögern in die Speichen eines Rades und feuerte die Um¬
stehenden an, ein Gleiches zu tun. Das Beispiel wirkte, und ehe man
drei zählen konnte, war der Wagen im Gange; einmal im Rollen,
wurde er dann leicht von dem Pferde weiterbefördert. Wer ein
Herz hat für Gottes Geschöpfe, wird ihnen stets in der Not beispringen,
und ist man zu schwach zu helfen, dann vermag oft ein gutes Wort
an ihre Peiniger, diese von fernerer Grausamkeit abzuhalten. Schon
der weise Salomo sagt: „Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes;
aber das Herz des Gottlosen ist unbarmherzig." Und wie dankbar
können Tiere sein! Ich habe einmal einen Jagdhund, der auf dem
Eise eingebrochen war und nicht mehr emporkommen konnte, von:
Ertrinken gerettet. Das gute Tier zeigte mir seine Dankbarkeit auf
die rührendste Weise und wollte gar nicht mehr von mir lassen, ob¬
gleich ich ihm ganz frenid war. Albert Renck. (DeutscheJugend, übe Tierschutz!)
104. Das Wasser.
Wohin sott ich dich führen, nn> dir das Wasser zu zeigen, dieses
Element, so allgegenwärtig wie die Luft und so mannigfaltig in
feiner Erscheinung? Soll ich dich führen auf die von der Brandung
umtoste Klippe und dir das Wasser zeigen als rollenden Ozean,
wenn die Sonne auf ihm lacht und leichte Winde ihn kräuseln, oder