Die neueste Zeit
A. Das Deutsche Reich.
Noch siebzehn Jahre stand Kaiser Wilhelm I. an der Spitze des
Reiches, verehrt und geliebt von seinem Volke, wie selten ein Fürst. An
der Feier seines fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläums, seiner gol-
denen Hochzeit und seines neunzigsten Geburtstages nahmen alle Deutschen
den herzlichsten Anteil. Er starb am 9. März 1888. Die amtliche Mit-
teilnng von dem Ableben des ersten Kaisers an den Reichstag schloß ^sürst
Bismarck mit den Worten: „Die heldenmütige Tapferkeit, das national
hochgespannte Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame
Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum Vater-
lande, die in unserem dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren — mögen
sie ein unzerstörbares Erbteil unserer Nation sein, das der aus unserer
Mitte geschiedene Kaiser uns hinterlassen hat."
Vom 9. März bis zum 15. Juni 1888 regierte Friedrich III., ge¬
boren am 18. Oktober 1831, einziger Sohn Wilhelms I., vermählt mit
Viktoria, Prinzeß Royal von England. Beim Ableben seines Vaters
hielt er sich in San Remo an der Riviera auf, wo er Heilung von einem
schweren Leiden suchte, dem er, nach Berlin zurückgekehrt, erlag. Ihm
folgte
Wilhelm II., geboren 27. Januar 1859, vermählt mit Auguste
Viktoria, Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Angnstenburg.
1888 legte Moltke seine Stellung als Chef des Großen General-
stabes nieder (gestorben 1891). 1890 wurde Fürst Bismarck aus seinem
Amte als Reichskanzler entlassen. Er lebte seitdem in Friedrichsruh
bei Hamburg, wo er am 30. Juli 1898 starb.
Das Deutsche Reich bewährte sich in den Jahrzehnten nach seiner
Gründung als ein Hort des europäischen Friedens. Es schloß zunächst
mit Rußland und Österreich-Ungarn das „Dreikaiserbündnis", und als
sich dies während des Russisch-türkischen Krieges auflöste, 1879 mit Oster-
reich-Ungarn einen Bund des Friedens und der gegenseitigen Verteidi-
gung, dem 1883 Italien beitrat. Der „Dreibund" ist seitdem wieder-
holt erneuert worden. 1890 wurde Helgoland durch Vertrag mit Eng-
land deutsch.