Die westlichen Hauptalpen.
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ebene bildet. Wir steigen, wieder einem Tliale und einem kleinen
Bache folgend, in sie hinab, um den Eindruck des hier jäh ab¬
fallenden Alpengebirges aut uns wirken zu lassen. Nach N
wandernd und dabei westwärts schauend, sehen wir, wie die Alpen
an Höhe wachsen und im Monte Viso, der höchsten Erhebung
der Cot tisch en Alpen, die wir aber als Monte Viso-Gruppe
bezeichnen wollen, zn fast 4000 m (3840) ansteigen.
Prächtig schmückt die stolze, schneegeschmückte Pyramide dieses Berges
das Panorama, thronend über den tiefen Abgründen, zu dem sich der Alpen¬
kamm und die von ihm abzweigenden Seitenkämme jäh hinabsenken. Frei her¬
vortretend und die Umgebung kühn beherrschend, erscheint er als einer der
gewaltigsten Berge der gesamten Alpen.
Am Monte Viso entspringt der Po, der Hauptstrom der
Lombardischen Tiefebene. Aber nicht von der Milch der Gletscher
trinkt er ; denn die nämlichen Ursachen wie in den Meeralpen ver¬
hinderten eine umfangreiche Gletscherbildung. Nur kleine Anfänge
zu dieser sind in der Umgebung des Monte Viso vorhanden.
Dem Laufe des Po folgen wir nach N, immer nach W hin¬
aufschauend zu den jäh aufgerichteten Alpen. Wir erreichen die
grosse Stadt Turin, wo. der Po den ersten grössern Nebenfluss,
die Dora Riparia, aufnimmt. Die obern Verzweigungen der¬
selben fuhren zu wichtigen Passübergängen hin, ein. nördlicher
Quellarm zum Mont Ce ni s (spr. mong sseni), ein südlicher zum
Mont Gen è vre (spr. schenäw'r). Der zuerst genannte Pass liegt
schon 200 m höher als der Col di Tenda, der andere ebenso hoch
wie dieser.
Von Turin setzen wir die Wanderung durch wellige Land¬
schaften fort nach Ivrea. Dieses liegt am Ausgange eines Quer-
thales der Alpen, dem die Dora Balte a, ebenfalls zum Po hin.
folgt. Die Alpenkette, die nun links vor uns liegt, trägt schon
reichen Gletscher schmuck. Sie wird gewöhnlich als
Grajische Alpen bezeichnet; wir wollen sie nach dem höchsten
Gipfel Gran Paradiso-Gruppe nennen.
Herrlich blicken die weissen Firnfelder zwischen den zackigen Spitzen
der hochgetürmten Berge heraus. Das prächtige Bild wird beherrscht vom
Gran Paradiso, der bereits eine Höhe von über 4000 m (4060) hat. Als
Mittelpunkt der Gruppe hat auch der etwas niedrigere Mont Iséran (spr.
mong iserang, 3620 m) Bedeutung. In ihm treffen sich die beiden Hauptkämme
dieser Alpengruppe, ein südnördlich gerichteter Zug, der einen östlichen Bogen
bildet, und ein mehr geradlinig von SW nach NO streichender.
Um nicht bloss von der äusseren Erscheinung, sondern auch
von der Natur und den Natur kr äften des Hochgebirges
eine Vorstellung zu erhalten, wollen wir tiefer in dessen Thäler
hineinwandern. Dem Lauf der Dora Bai tea folgend, gelangen wir
in das berühmte Thal von Aosta. Das Thal ist ausserordentlich
tief zwischen der Gran Paradiso-Kette im S und den Pen¬
nin i sehen Alpen oder der M ont erosakette im N eingesenkt.
Auf beide Ketten gemessen wir herrliche Blicke, wenn wir irgend
eine Anhöhe seitwärts von der Strasse erklimmen, besonders nach N,
wo inmitten riesiger Gletscherfelder das Matterhorn, der stolzeste