Full text: Heimatkunde der Provinz Hessen-Nassau nach natürlichen Landschaftsgebieten

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angelangt war, meldete er der schwer bedrängten Stadt durch steigende Raketen 
die nahende Hilfe. Neuer Mut beseelte die so schwer heimgesuchten Bewohner 
der Stadt. Am 13. Juni 1636 hielt der Landgraf nach blutigen: Kampfe unter 
Glockengeläute seinen Einzug in die Stadt. Seit dieser Zeit wird der 13. Juni 
alljährlich gefeiert- Anderthalb Jahrhunderte hindurch war dieser Tag ein kirch- 
licher Büß- und Danktag; jetzt ist er ein weltliches Fest und wird in ähnlicher 
Weise wie der Frankfurter „Wäldchestag" gefeiert. Die Schulen sind geschlossen, 
die Fabriken und die Geschäfte der Stadt unterbrechen ihre Tätigkeit. Jung und 
alt ziehen hinaus in das Lager von Zelten, Hütten und Bilden, um im schattigen 
Walde das volkstümliche Fest zu begehen. 
Hanau ist ferner bekannt durch die Schlacht bei Hanau am 30. und 
31. Oktober 1813. Diese hat dadurch eiue besoudere Bedeutuug gewonnen, 
daß sie die letzte Schlacht war, die der gewaltige Zwingherr Napoleon I. 
anf deutschem Boden schlng. Die in der denkwürdigen Völkerschlacht bei 
Leipzig besiegte französische Armee trat ihren Rückzug nach Frankreich an. In 
Schlüchtern übernachtete Napoleon im dortigen Kloster. Als er erfuhr, daß der 
Aufenauer Paß unbesetzt sei, rief er aus: „Nun ist der Weg nach Frankreich offen!" 
Sein Heer betrug noch etwa 80 T. Mann. Die Bayern stellten sich ihm bei 
Hanau mit 40 T. Mann entgegen, um Napoleon den Rückzug abzuschneiden. Die 
Aufstellung der Bayern war eine unglückliche, iusofern das Zentrum die Kinzig 
im Rücken hatte. Napoleon leitete vom Lamboiwalde aus die Schlacht. Mörderisch 
wirkte das Feuer der Franzosen in den Reihen der Verbündeten. Viele Hundert 
ertranken in der Kinzig. Zum Glück zogen der Mühlenbesitzer der Herrnmühle x) 
und sein Obermüller die bei der Mühle befindlichen Schleusen des Wehres, so 
daß die Wasserstauung aufhörte, uud viele Bayern noch gerettet wurden. Am 
folgenden Tage setzte sich der Kampf in den Straßen der brennenden Stadt fort, 
während die französischen Scharen nach Frankfurt weiterzogen. (Welche darauf 
bezügliche Inschrift ist an einem Baum des Zoologischen Gartens in Frankfurt 
zu lesen?) Der bayerische General Wrede selbst sank auf der Kinzigbrücke ver- 
wundet vom Pferde. Ein Stein mit der Inschrift: „Hier wurde General Wrede 
in der Schlacht bei Hanau:c. verwundet" erinnert noch heute au die unglückliche 
Schlacht. 
Östlich vou Hanau liegt die Reichsjmlverfavrik. Westlich führen schöne 
Alleen nach Willielmsbad und Philippsruhe, dem prächtigen Schlosse des Land- 
grasen von Hesseu, das in den Jahren 1701—1713 erbaut wurde. Zwei schnür- 
gerade Alleen führen von hier nach Wilhelmsbad, bezw. nach der Fasanerie. In 
der Nähe liegt Kesselstadt mit fast 2000 Einwohnern. 
Wilhelmsbnd war früher Badeort mit Spielbank, jetzt ist es ein Ver- 
gnügnngspark für die Bewohner Hanaus und hat schöne Anlagen. RnmHenheim, 
Dorf. Das Schloß des Landgrafen von Hessen ist in herrlichem Park gelegen. Hoch- 
stadt, reiches Dorf auf eiuer Anhöhe, früher Sitz der Herreu vou Hochftadt. Es 
ist noch jetzt mit Wall und Graben umgeben, die durch mehrere Mauertürme 
verstärkt sind. TörlNgheim liegt 20 Minuten vou der gleichnamigen Station entfernt 
l) Der Mühlenbesitzer Koch erhielt als Anerkennung für seine rettende Tat 
einen bayerischen Orden und der Obermüller Ströbel, später in Windecken, eine jähr- 
liche Pension von 400 Gulden, die ihm bis zu seinem Tode alljährlich am Tage der 
Schlacht ausbezahlt wurde. 
Hinkel, Hessen-Nassau. 
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