Full text: Die außereuropäischen Erdteile nebst den deutschen Kolonien (Bd. 3)

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Afrika. 
fast sageil der Jahrtausende erwiesen hat, beweist das Dunkel, 
das sich selbst über den Oberlauf des Nils, eines Stromes, der in 
der Geschichte eine so große Rolle gespielt hat, bis in die jüngste 
Zeit erhalten hat. Lesen wir die Kunde, die Herodot 500 Jahre 
y. Chr. von demselben gab, und vergleichen sie mit unserer Kenntnis 
vor einigen Jahrzehnten, so linden wir, daß in einer Zeitdauer von 
mehr als 2300 Jahren das Dunkel nicht um eine Spur aufgehellt 
wurde. Wie schwierig aber von der Küste her das Vordringen in 
den dunklen Erdteil war, das haben fast alle Kund fahrten der 
letzten Jahrzehnte gelehrt. Wohl am deutlichsten ging dies aus 
der Kundfahrt hervor, die der englische Kapitän Tukey zur Er¬ 
forschung des das Königreich Kongo durchfließenden Zaire, d. i. 
des Kongostroms, unternahm. Keine Kundfährt ist je besser aus¬ 
gerüstet und mit bessern Aussichten ausgesandt worden, und keine 
hat einen traurigem und unglücklichem Abschluß gefunden. Sie 
scheiterte völlig, ehe sie ins eigentliche Innere vorzudringen ver¬ 
mochte, indem in den drei ersten Monaten 18 Mitglieder infolge 
der Strapazen an Krankheiten starben. Die Negervölker des innern 
Afrikas waren also von der Kulturwelt wie abgeschnitten, sie 
mußten in ihrem Nat Urzustand e verharren. In der ungünstigen 
Lage ihrer Wohnsitze ist vorwiegend die Ursache ihres gewaltigen 
Rückstandes hinter den Kulturvölkern zu erkennen, nicht in ihrer 
Unfähigkeit, die Kultur überhaupt aufzunehmen, wie manche Rei¬ 
senden, die viele Jahre unter ihnen weilten, behauptet haben. Eine 
solche Ansicht äußerte z. B. A. Boshart. Major in der Kongo¬ 
armee*). Nur eine völlige Unkenntnis bezw. Außerachtlassung der 
geographischen Gesichtspunkte kann ein solch hartes Urteil hervor¬ 
rufen. Kulturunfähigkeit, Grausamkeit und namenlose Faulheit 
bezeichnet Boshart als die drei Eigenschaften, die allen Neger¬ 
stämmen gemein wären. Worin die sog. Kulturunfähigkeit ihre 
Erklärung findet, das wurde schon gezeigt. Die Grausamkeit der 
Negervölker ist nicht größer als die der christlichen Abessinier 
und der arabischen Sklavenhändler, denen doch Kulturfälligkeit 
und ein gewisses Maß von Kultur nicht abgesprochen werden 
kann. Stanley, dem ein feines Seelenverständnis zugesprochen 
werden muß, berichtet auch von Äußerungen eines warmgefühlten 
Mitleids, die er bei Negern beobachtete. Die Behauptung der fast 
sprichwörtlich gewordenen Faulheit der Neger wird widerlegt durch 
den blühenden Zustand der Pflanzungen vieler Negervölker, ist 
aber, soweit sie Berechtigung hat, aus dem Fehlen eines genügen¬ 
den Anreizes zur Arbeit zu erklären. 
Der geringe Kulturfortschritt der Neger ist vorwie¬ 
gend auf ihre g eringe Natur- und Seele n er kennt ni s infolge 
der langdauernden Abgeschlossenheit zurückzuführen. Nur durch 
die Belehrung und durch das Beispiel einer höhern Handlungsweise 
können sie für die Kultur gewonnen und auch den christlichen 
*) Mitgeteilt in der Neuen Deutschen Kundschau als Antwort auf eine 
Rundfrage, die der Herausgeber F. Giesebrecht veranstaltet hatte.
	        
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