58. Aus dem Leben Kaiser Wilhelms I.
1. Kaiser Wilhelms Lieblingsblume. Kaiser Wilhelm
liebte die blaue Kornblume über alles. Darum wurde sie auch
Kaiserblume genannt. Als der Kaiser einmal gefragt wurde, warum
er das einfache Blümchen so gern habe, erzählte er: „Als ich
noch klein war und meine liebe Mutter, die Königin Luise, noch
lebte, mußten wir einmal in dem Kriege, den mein Vater, König
Friedrich Wilhelm III., gegen den Kaiser Napoleon führte, fliehen. Die
Mutter war sehr traurig und weinte oft. Da brach plötzlich
auf einem Feldweg, mitten zwischen Kornfeldern, ein Rad des
Wagens. Wir mußten einige Stunden warten, bis der Schmied
das Rad geflickt hatte. Inzwischen suchte ich mit meinen Ge-
schwistern Kornblumen, um uns die Zeit zu vertreiben. Die
Mutter band einen hübschen Strauß daraus, aber dabei liefen ihr
die Tränen über die Wangen. Das schnitt mir tief ins Herz,
und den Augenblick kann ich nie vergessen. Wenn ich nun eine
Kornblume sehe, so denke ich an mein gutes Mütterchen. Darum
habe ich die Kornblumen so lieb."
2. Einfachheit des Kaisers. Nach einer blutigen Schlacht
im Kriege gegen Frankreich war ringsum alles mit Toten und
Verwundeten gefüllt. Mit Mühe hatte man für den König eine
Stube in einem halb zerschossenen Hause gefunden. Nur ein
einziges Bett, ein Stuhl und ein Tisch standen noch darin. Als
der König hereintrat, fragte er gleich: „Wo bleiben denn Moltke
und Bismarck?" Der Adjutant sagte: „Bis jetzt sind sie noch
nirgends zu sehen." „Wenn sie kommen, dann laden Sie sie ein,
hier mit mir zu übernachten," sagte der Kaiser weiter, „das Bett
können Sie aber ruhig wegnehmen, das können die Verwundeten
viel besser gebrauchen! Dafür lassen Sie einfach Stroh bringen
und ein paar Decken, das wird wohl für uns drei ausreichen!"
So wurde es auch gemacht. Der König, der damals schon 73 Jahre
alt war, brachte die Nacht mit Moltke und Bismarck auf der
Streu zu.
3. Kaiser Wilhelm beim Dombrande in Frankfurt.
Am 15. Juni im Jahre 1867 war in der Nähe des Domes ein
Brand ausgebrochen, der schnell um sich griff. Auch das Dach des
Domes fing Feuer, und nicht lange dauerte es, da brannte das
herrliche Gebäude bis hinauf zur Turmspitze. Mit tiefem Schmerze
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