Full text: Handbuch der Geographie ([Ausg. C])

Atlantischer Ozean mit dem Nordpolargebiet. 
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Atlantischer Ozean mit dem Nordpolargebiet. 
Das Fünftel der Erdoberfläche, das mit Salzwasser bedeckt und durch fünf Erdteile einge¬ 
schlossen, vom Rande der Antarktis über den Nordpol bis an die Nordränder der Alten Welt läuft, 
heißt der Atlantische D^eon1. Es wird zu einem starken Fünftel und umfaßt 106 Mill. güm, 
mehr als | des Großen Ozeans, da bei solcher Abgrenzung das bisher als besonderer Ozean be¬ 
handelte „Nördliche Eismeer" diesen Rang verliert, ebenso das „Südliche Eismeer", für das eine 
einigermaßen befriedigende Umgrenzung überhaupt nicht zu finden ift2. Die freie Zugänglich¬ 
keit des Nördlichen durch das breite Doppeltor zwischen Grönland und Skandinavien, die Fort¬ 
setzung des Atlantischen Tales nach Norden hin, ebenso die Meeresströmungen und die Ver¬ 
wandtschaft der klimatischen Bedingungen kennzeichnen jenes Eismeer viel stärker als ein Mittel¬ 
meer, einen Teil des Ozeans, als es beim fast abgeschlossenen Romanischen Mittelmeere derFall ist. 
Die Hauptmasse des Ozeans läuft zwischen den in ihren großen Zügen parallelen und im 
Durchschnitt 5500 üm voneinander entfernten Ufern der Alten und der Neuen Welt 8-förmig 
von N. nach S. Ein nur in den äquatorialen Breiten und hier durch eine Tiefe bis 7670 m unter¬ 
brochener Rücken zieht von Island über das sogenannte „Telegraphenplateau" bis an die Azoren 
und von da in weitem, nach O. geöffnetem Bogen, der 47° W erreicht, bis an den Gleicher. Jen¬ 
seits der Unterbrechung läuft er bis 58° 8 über St. Paul, Tristan da Cunha [fünja] und die Bouvet- 
Jnsel, den Ozean in eine w. und eine ö. Hälfte teilend und eine alte Landverbindung zwischen den 
beiden Nord- wie den beiden Süderdteilen anzeigend. Die größte Tiefe mit 8526 m^ liegt in 
einem Graben n. von Jamaika. Der Ozean wird um so richtiger verglichen mit einem breiten 
Strome, weil er mehr länderverbindend als -trennend wirkt und seine zahlreichen Glieder etwa 
wie die eines großen Flußnetzes in ihn einmünden. Er ist der Ozean der Mittelmeere, deren 
er drei aufweist, und durch die starke Gliederung Europas auch der Ozean der Binnenmeere. In 
seiner Verkehrsbedeutung nimmt er für die Kulturstaaten jetzt denselben Rang ein, den früher für 
eine enger begrenzte Welt das Romanische Mittelmeer besaß. 
Der Paralleüsmus seiner beiden Langseiten ist so stark, daß er allein schon die Vermutung eines 
ehemaligen Zusammenhanges der beiden Festländer nahelegen mußte, sei es nun, daß die Bruchspalte 
durch das Meer zu seiner jetzigen Breite erweitert ist oder daß die verlockende, aber überaus kühne Hypo¬ 
these einer „Abrutschung" des westlichen Festlandes recht hatR Für derartige Vermutungen sprechen 
gar viele Umstände, so die Ähnlichkeit der beiden Einbrüche der Mittelmeere in der Mitte, die Fortsetzung 
des abgebrochenen und zumeist zerstörten „Armorikanischen Gebirges" der Bretagne und Irlands in Neu¬ 
fundland und Neuschottland, sodann der europäischen Faltung in den Appalachen, des skandinavischen Gneis¬ 
gebirges in Grönland, der afrikanischen Hochtafel in Brasilien, pflanzen- und tiergeographische Gründe u. a. m. 
Da der Ozean fast alle Wärmezonen durchläuft, so hat er auch an fast sämtlichen Luftdruck- und Wind¬ 
gürteln zwischen den beiden Polen teil, die bei den beiden anderen (s. S. 470 und 769ff.) besprochen 
sind. Sein n. Teil wird im Winter beherrscht durch eine starke Zyklone bei Island, welche s.w. Winden 
nach Westeuropa Raum gibt, umgekehrt lagert dort im Sommerhalbjahr ein Hochdruckgebiet, das den 
Zugang w. Winde von dem starken Hochdruckgebiet der Azoren nach Europa nicht stört. Nur wenn 
der Luftdruck bei Island zu hoch wird, haben wir in Europa mehr n. Winde und eine negative Ab¬ 
weichung der Temperatur zu erwartend Wie den Windgürteln, so gibt dieser Ozean allein auch den 
Strömungen volle Möglichkeit, sich zu entwickeln und von den beiden schön ausgebildeten Ringen der 
Äquatorial-Strömung kann nur hier der nördliche einen überaus wichtigen Ausläufer, die Atlantische 
Strömung, durch das große Doppeltor in die höchsten Breiten entsenden (s. S. 535). In der strömungs¬ 
losen Mitte des Nordringes, n. vom Wendekreis des Krebses, dehnt sich über 40 Breitengrade die Sar- 
gasso-See aus, d. i. nicht etwa eine geschlossene Seegrasfläche, wie lange die Sage zu erzählen wußte, 
sondern das Meer trägt Ansammlungen von Tangmassen, die durch Stürme von den Küsten der Antillen 
santttjenss losgerissen sind und monatelang umhertreiben, bis sie absterben und versinken. Kalte Strö¬ 
mungen beeinträchtigen die Westküste Südafrikas und die des n.ö. Nordamerikas. 
* Dieser Name ist dem Ozean erst im 16. und 17. Jahrhundert durch Merkator und Barenius ls. S. 10) gegeben 
worden. — G. Schott, Geographie des Atlantischen Ozeans. Hamburg 1912. S. 41. — 2 Es ist als „Verlegenheits¬ 
bildung (Krümmels aus der Zahl der Weltmeere auszuschciden. — 3 Nach anderer Lotung sollen nur 8347 in zu 
fmden sein. — 4 Alfred Wegener in Pet. Mitt. 1912, I, 254ff. — 3 Hann a. a. O. III, S. 215. 
v. Seydlitz, Handbuch. 26. Bearbtg. 45
	        
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