Full text: Karl August Engelhardt's Vaterlandskunde für Schule und Haus im Königreiche Sachsen

Bodenbeschassenheit. 163 
scheuchen, jetzt sind sogar wilde Schweine verschwunden. Dafür 
hat sich aber der Hochwildbestand des oberen Gebirges während 
der letzten Jahre nicht unerheblich vermehrt, zum Leidwesen des 
Landmanns, dem es nicht zu verargen ist, wenn er wünscht, es 
möchte des Wildes weniger statt mehr werden; denn wo es ein- 
fällt, frißt es wohl in einer Nacht 3—4 Hectaren hintereinander 
„ratzenkahl" ab, und wenn auch nach vier Wochen die Kartoffeln 
wieder sprossen, so ist dann doch die Zeit bis zur Ernte zu kurz, 
die Knollchen werden nicht größer als Haselnüsse, und in der 
Regel wird solches Feld gar nicht geerntet, da es die Arbeit nicht 
lohnt. Unter den Gaben der Gewässer stehen die Forellen 
obenan, und die Sage von zwei Ellen langen wird wahrscheinlich, 
wenn man weiß, daß Kurfürst Christian II. einst von einem 
Hammerherrn in drei Fässern 30 Forellen erhielt, von denen eine 
17 Pfund wog. Lachse steigen bis in die Zschopau. 
Die unebene Gestalt der Oberfläche, die Magerkeit und der 
Steinreichthum des Bodens erschweren den Ackerbau, und das 
rauhe Klima vereitelt in den höchsten Gegenden nicht selten alle 
Mühe des Landmanns. Oft mit unglaublicher Anstrengung sucht 
der arme Erzgebirger der Erde gleichsam abzuzwingen, was sie ihm 
versagt. Bergabhänge, auf denen der Pflug nicht mehr gehen kann, 
bestellt er mit der Hacke, Gras mähet er aus Höhen, die der Nieder- 
„ länder kaum beklettern kann; Heu holt er mitten im Sommer auf 
Schlitten, wo er mit dem Wagen nicht fortkommt, mit Centnerge- 
duld liest er jedes Jahr auf's neue die Steine von den Feldern, und 
wie manchesmal wird ihm trotz alledem nur eine dürftige Ernte zu 
Theil! In den ranhesten Lagen erbaut er zu seiner Nahrung nur 
Hafer und Kartoffeln, letztere die wahre Brodfrucht des Erzge- 
birges, von der der Arme den größten Theil des Jahres lebt; doch 
hat sich in neuerer Zeit der erzgebirgische Ackerbau so vervollkomm- 
net, daß nicht allein Korn bis hoch in das Gebirge hinauf, sondern 
in geschützteren Lagen selbst Weizen und Oelsrüchte mit gutem Er- 
folge gebaut werden. Aber nichtsdestoweniger bedarf der Bezirk, 
um seine dichte Bevölkerung zu ernähren, bedeutender Getreide- 
zufuhren, namentlich aus Baiern, Böhmen und dem leipziger Re- 
gierungsbezirk. Der erzgebirgische Wiesenbau sucht seines glei- 
chen, zumal seitdem nach dem Vorgange des Staats, der die Nie- 
dernngen an der Wilzsch in Kunst- und Wässerwiesen verwandelt 
hat und dadurch 90 bis 120 M. Graspacht für den Acker erzielt, 
auch andere Grundbesitzer ihre kleinen Parzellen soweit möglich 
auf Wässerwiesen einrichten. 
Von besonderer Wichtigkeit für das Gebirge ist der Flachs- 
bau, wenn schon, was Sachsen an Flachs erzeugt, noch keineswegs 
für die Bedürfnisse der inländischen Spinnereien ausreicht, zumal 
auch viele böhmische und mährische Spinner ihren Flachs vom 
Erzgebirge beziehen. Dadurch, daß diese nützliche Gespinnstpslanze 
bis über 600 ^ Meereshöhe gedeiht, wird sie zu eiuer Quelle des 
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