I. Die Alpen.
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eine Minute lang; die Firnfelder haben den Druck nicht nur einen Tag, einen
Monat lang, sondern viele Jahre lang auszuhalten. So geht der Firnschnee
allmählich in Eis über. Am Montblanc dauert das 18 Jahre. In dieser langen
Zeit ist aus lockerem Schnee festes Eis geworden. Aus dem Firnfelde ist ein
Gletscher geworden. Natürlich ist der Gletscher nicht mehr so tief wie das
Firnmeer. Die Schneemasse ist ja zusammengedrückt. Doch sind viele Gletscher
noch sehr tief; 20—30 m tief sind viele; andere haben eine Tiefe von 30—50 in;
die großen Gletscher sind 50—100 in und einige sogar 100—200 in tief. Dazu
haben diese Eisströme eine bedeutende Länge; sie sind 1—6 Stunden lang.
Manche Gletscher nehmen daher eine stattliche Fläche ein. Der größte Gletscher
(ber Aletschgletscher in den Berner Alpen) ist 24 km lang und bedeckt eine Fläche
von 115 qkm. Dabei ist er stellenweise bis zu 2000 m breit. Da könnt ihr ahnen,
welch ungeheure Eismassen ein solcher Gletscher in sich birgt!
5) JhreBewegung. Wir nennen die Gletscher Eisströme. Sie be¬
stehen ja aus Eis; sie bewegen sich auch wie ein Strom. Freilich ist ihre Abwärts¬
bewegung sehr gering; sie ist wie ein Gleiten oder Glitschen. Daher rührt auch
ihr Name. Das Wasser der Bäche und Flüsse fließt nicht gleich schnell. Je größer
das Gefälle ist, desto schneller fließt es, desto größer ist die Strömung; je kleiner
das Gefälle ist, desto geringer ist die Strömung. Im Niederlande sieht man oft
gar keine Bewegung des Wassers, und doch fließt es noch, aber nur sehr lang¬
sam, fast unmerklich. Die Gletscher fließen erst recht langsam; denn sie bestehen
ja aus festem Eis; das kann gar nicht so fließen wie Wasser, sondern nur rutschen,
gleiten, sich langsam nach unten vorschieben wie dickflüssiger Honig. Manche
Gletscher gleiten in einem Jahre nur wenig Meter abwärts, andere aber 100
bis 250 m. Täglich rücken die langsamsten nur einige Zentimeter vor, die schnell¬
sten aber einen halben bis 3/4 m. Das ist nicht viel; aber im Laufe der Zeit ge¬
langt so alles Eis nach unten. Sehen wir an einem großen Gletscher Eisstücke
am Ende, dann ist der Schnee, woraus diese entstanden sind, vielleicht schon vor
100—500 Jahren gefallen.
Der Gletscher besteht aus Eis; aber dies ist nicht so fest wie das Eis, das
sich auf unseren Teichen bildet. Das Gletschereis ist locker und besteht aus zahl¬
losen einzelnen Körnern und Stückchen. Diese Körner können sich leicht ver¬
schieben. Die oberen Schichten drücken auf die unteren. Nun sind aber die Firn-
und Gletscherbetten nach unten geneigt. So entsteht ein doppelter Druck nach
unten, nämlich:
ein senkrechter und ein schräger von der Höhe nach
dem Tale zu. Dazu kommt sehr oft noch ein seitlicher Druck, wenn sich das Glet¬
schertal verengt;
dann pressen sich die Eiskörner nach der Mitte zu zu-
sammen; wir haben dann vielerlei Druck: D—> \ \ ® . Dadurch
verschieben sich die einzelnen Körner und kommen stets ein wenig weiter nach
unten. Unaufhörlich bilden sich im Gletscher kleine Risse und Spalten. Doch ge¬
frieren die Körner immer wieder zusammen. Ist das Gletschertal sehr eng,
dann staut sich das Eis auf und erreicht daher eine große Tiefe. So verengt sich
das Tal des Rhonegletschers einmal von 2400 m auf 800 m. Da könnt ihr euch
denken, wie das dort knacken und krachen mag, wenn die Eismassen bersten und
brechen. Kommt der Gletscher an eine Biegung, dann staut sich das Eis an der
inneren Seite, während die äußere viele größere Risse erhält. Zuweilen muß der