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knüpfungspunkte. Wir behandeln ihn personifiziert, nach dem natur-
gemäßen Vorbilde der sprachlichen Aussagewörter.
Der Wind ist ein gar arger Geselle. Der versteht keinen
Spaß. Er reißt uns den Hut vom Kopfe (Sturmband), er wirbelt
den Staub auf, hüllt uns damit ein und treibt uns Sand in die
Augen. Wir kommen auf der Straße nur schwer vorwärts. Wenn
wir den Regenschirm aufgespannt haben, so knickt er ihn uns manch-
mal um (namentlich an den Straßenecken). — Papierstücke wirbelt
er in der Luft umher. Er klappert an den Jalousien und möchte sie
am liebsten losreißen. Auf dem Balkon zaust er an dem Weinlaube
und an den Bohnenranken. Er rüttelt tüchtig die Blumentöpfe, aber
sie stehen geschützt im Gitter. — Auf dem Dachturme dreht er die
Wetterfahne, daß sie knarrt und quietscht und die Ziegelsteine rasselnd
herabfallen. Und wie er mit dem Rauch spielt! Den jagt er vor
sich her, bald hoch hinauf, bald wieder nach unten. — Auch auf die
Wolken stürzt er sich los. Er treibt sie vor sich hin und reißt sie in
Fetzen. Draußen im Freien kann er sich so recht austoben, da ist ihm
nicht viel im Wege. Kommt er in einen Garten, so reißt er von den
Bäumen die Blätter ab, knickt Zweige und wirft sie zu Boden. —
Auf dem Wasser peitscht er die Wellen auf und wirft sie mit großer
Gewalt gegen die Schiffe und gegen das Ufer, daß der weiße Gischt
hoch aufspritzt. Wehe dem Segler, wenn er nicht versteht, das Segel
gegen den Wind einzustellen. Dann wirft er sein Boot um wie
eine Nußschale. — Dem Landmann spielt er einen Possen, indem
er ihm die aufgestellten Garben auf dem Felde umwirft. Im Herbste
schüttelt er das Obst von den Bäumen. Im Winter befreit er die
Aste von der schweren Schneelast. Die Wäscherin hat ihn gern,
wenn er nicht zu heftig wirdi denn er trocknet ihr recht schnell die
Wäsche.
* Der Wind. W. Eigenbrodt. I. 233.
* Was der Wind zu tun hat. W. Eigenbrodt. I. 232.
* Lied vom Winde. E. Mörike. I. 234.