Full text: Neue Landeskunde des Königreichs Württemberg

empfangt viel mehr Feuchtigkeit als das Unterland. Wie im Schwarz- 
wald werden auch hier die feuchten westlichen Luftströmungen durch die 
Gebirgswaud zum Aufsteigeu und infolge der damit verbundenen Abkühlung 
zur Regenabgabe gezwungen. Am regenreichsten ist daher der Nordwestrand 
der Alb bis zur Wasserscheide; der Donau zu nimmt die Regenmenge ab. 
Wegen ihrer hohen, freien Lage ist die Hochfläche schutzlos den rauhen 
Winden preisgegeben; sie gehört zu den rauhesten Gegenden Württembergs. 
Der Wiuter ist lang und schneereich. Schneefälle im Mai und Oktober 
sind etwas Gewöhnliches. Der fpät • geerntete Haber geht in manchen 
Jahren im Schnee verloren, und oft liegen auf der Alb noch Schneemassen, 
während im Unterland schon alles grünt. Häufige Frühlings- und Herbst- 
fröste bringen den zarteren Gemüsen und Gartengewächsen Schaden. Müu 
singen ist der kälteste Ort Württembergs; hier sind Fröste im Juni nichts 
Seltenes. Die Ernte ist 2—3 Wochen später als im Unterland. 
Das strenge Rlima, der vielfach magere Boden und der 
Wassermangel bewirken, datz die Hochfläche der Alb zu den am 
dünnsten besiedelten Landschaften Württembergs gehört. 
Die Dörfer liegen weit auseinander, meist in einer kleinen Vertiefung, 
zum Schutz vor den ranhen Winden. Sie schauen kahl drein, deim es fehlt 
ihnen der Schmuck der Obstbaumwälder, iu den die Dörfer des Neckarlandes 
gehüllt sind. Die Häuser sind meist einstockig und tragen zum Teil noch 
Strohdächer. Langweilige, früher meist mit Mehlbeer- und Vogelbeer-, jetzt 
auch mit Obstbäumen eingefaßte Straßen verbinden die menschlichen Wohn- 
sitze. 
Obwohl die Hochfläche der Alb im allgemeinen einförmig genannt 
werden muß, ist sie doch nicht ohne Reiz. Schön ist's auf der Alb im .Hoch- 
sommer, wenn wogende Kornfelder sich weithin ausbreiten, wenn Lerchen- 
jubel und Wachtelschlag ertönt und weidende Schasherden auf den sonnigen 
Bergweiden ziehen. Schön ist's aber auch im Winter, wenn die Wälder 
und Gebüsche in feierlicher Stille im Rauhreif glänzen, die Ortschaften im 
metertiefen Schnee wie begraben liegen, die Dorfjugend in Hellem Jubel 
sich auf dem 6- oder 8 spännigen Bahnschlitten mitschleisen läßt nnd der 
Schneeschuh ungehindert über stundenweite Flächen gleitet. 
Anl schönsten ist freilich die Neckarseite des Gebirges mit ihrem 
jähen, waldgeschmückten nnd selsbekrönten Absturz zum Neckarland und 
ihren Flußtälern. Von dem Steilrand der Alb hat man überall die Herr- 
lichsten Aussichten auf das Unterland. Einen prächtigen Schmuck bilden 
hier die wie Schildwachen vor dem Albtrauf sich erhebenden Vorberge. 
Diese hängen teils noch durch einen schmalen Grat mit der Alb zusammen, 
teils streben sie als vollkommene Kegelberge ohne Verbindung mit dem Nord- 
Westrand des Gebirges in stolzer Einsamkeit empor. Aus ihnen erbauten sich 
in alten Zeiten die Ritter mit Vorliebe ihre Burgen und Schlösser. In 
langer Reihe, vom Lupfen im Südwesten bis zum Jps im Nordosten, ragen 
diese schöngesormten Berge auf. Die berühmtesten unter ihnen sind die 
Kaiserberge Hohenstaufen und Hohenzollern. 
Die Alb sendet ihre Gewässer teils zum Neckar teils zur Donau. 
Über das Gebirge zieht also die große europäische Wasserscheide zwischen 
Rhein und Donau. Sie hält sich meist nahe dem Nordwestrand der Alb. 
Die reizvollen Täler der Neckarseite sind eng und viel tiefer ein-
	        
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