Die Steppen 43
spärlichem Gebüsch. Der helle Tag und die helle Nacht wecken
in der Erde nach ihrem langen Schlafe so mächtige schöpferische
Kräfte, daß sie die Tundra für zwei bis drei Monate in eine
reizende Flur umzuwandeln vermögen. Aber auch die Schönheit
der sommerlichen Tnndra birgt Verderben für den Wanderer.
Unter dem bunten Teppich lauert an wärmeren Stellen auf den
Unvorsichtigen beweglicher, tiefer Sumpf. Nur das Renntier
wandert ungefährdet über den trügerischen Boden, der Jäger
geht hier häufig spurlos zu Grunde.
7. Die Steppen.
a) Ausdehnung, b) Beschaffenheit, c) Klima, d) Flora, e) Fauna.
a) Die Steppen bilden einen beträchtlichen Teil, etwa xj5
des gesamten europäischen Rußland, ein Gebiet, mehr als zwei-
mal so groß wie Frankreich. Sie ziehen sich im S. des Lan-
des vom Ural bis zu den Karpathen hin und werden im großen
uud ganzen als die pontische Steppe im N. des Schwarzen,
als die Kaspische Steppe im N. des Kaspischen Meeres be-
zeichnet. — I)) In ihrer ganzen Ausdehnung zeigt die Steppe
überall dasselbe Aussehen. Die geringen Erhebungen uud Ver-
tiefungen des Bodens, in der Nähe dem Meere vergleichbar,
fließen in der Ferne in eine unabsehbare Fläche zusammen.
Die peinliche Einförmigkeit der Natur bedrückt den Geist.
Eine Tagereise nach der andern wird zurückgelegt: überall das-
selbe Bild. Kein Wald, kein Baum, kein lebendiges Waffer
bis auf die wenigen großen Flüsse, welche die Steppe durch-
brechen, hier und da nur verkündet ein armseliges Dorf oder
eine weidende Herde die Nähe menschlicher Bewohner. In
manchen Gegenden der Steppe bilden künstliche Hügel, Türken-
Hügel nennt sie der Volksmund, eine Unterbrechung der ein-
förmigen Flächenöde. Es sind dies in der Regel 7—8 m hohe
Aufschüttungen, welche eindringenden asiatischen Horden als
Warten oder Wegweiser gedient haben sollen. Eine andere
Eigentümlichkeit der Steppengegenden am Schwarzen Meere
bilden die Limans. Darunter versteht man die Mündungen
der Flüsse, welche sich zu breiten Meeresarmen, Busen und
Becken erweitern, die durch Reihen kleiner Inseln und Eilande
von der offenen See getrennt sind, also eine Art von Lagunen-