Rodenberg: Ein Besuch der Westminster-Abtei. 589 
neue Gräber. Und doch stehe ich hier an einem, das nicht war, als ich 
zum letzten Male in Westminster-Abtei geweilt. Zu diesem Grabe zog es 
mich oft wehmütig aus weiter Ferne hin, und es zu besuchen, war mein 
erster Gedanke am ersten Morgen, den ich wieder in London zugebracht. 
Der darin ruht, ist mir nicht näher befreundet gewesen, als den Millio- 
nen andern, denen er im Leben Gutes gethan, und die daher ihn im 
Tode nicht vergessen werden. Eine dunkle Steinplatte bedeckt die Gruft, 
mit folgender Inschrift in Messingbuchstaben: 
Charles Dickens, 
born 7. February 1812, 
died 9. June 1870. 
Die Büste Thackerays schaut auf sein Grab herab und von der 
Wand gegenüber die Büste Oliver Goldsmiths. Vier Jahre sind es, daß 
er hier schläft, hinweggerufen aus einer halbvollendeten Arbeit. Aber 
genug hat er der Mit- und Nachwelt gegeben, um seinen Ruhm und sein 
Andenken nicht sterben zu lassen. Künftige Geschlechter werden nicht minder 
bewegt und dankerfüllt, wie das gegenwärtige, zu diesem Grabe pilgern, 
dessen nunmehr stiller Bewohner uns lachen und weinen machte, wie kein 
zweiter des Jahrhunderts. 
Nachdem ich die Pflicht der Pietät erfüllt, trete ich wieder hinaus; ein 
gelblicher Nebel hat sich herabgesenkt auf die Straßen, deren Branden und 
Brausen mir entgegendonnert und mich mächtig hineinträgt in das volle 
Londoner Leben. Zu meiner Rechten steht das Parlamentsgebäude, West- 
minsterhall und der Viktoriaturm; vereinsamt in die vorüberrauschende 
Menschenwoge, wie zurückgewandt in die Vergangenheit, schaut Whitehall, 
als schwebe um seine graue Fassade der Schatten Karls, als dröhne durch 
seine hallenden Korridore der Schritt Cromwells. .. Hier öffnet sich der 
Durchblick, hier Charing Croß und Trafalgar Square mit den Brunnen 
und den Treppen und der Nelsonsäule und der Nationalgalerie, und 
dort liegt der Strand. 
17. 
Woburn Möey, ein englischer Landsch. 
L. Freiherr v. Ompteda. 
Der Engländer der höheren Klassen wohnt und lebt nicht in der 
großen Stadt, dort arbeitet er nur; er schlendert nicht auf Boulevards 
und sitzt nicht um Mitternacht vor Cafes, denn das verbietet das Klima; 
er sucht nicht seine Erholung mit Frau und Kindern in nahegelegenen 
öffentlichen Vergnügungsgärten, denn solche giebt es für die höheren 
Stände nicht: des Engländers Heimat ist aus dem Lande, in den 
Schlössern und Landhäusern, in den Parks, Gärten und Gärtchen.
	        
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