118 Köln, die Königin des Niederrheins.
Doch da kommt er an die Unrechte: „Was, du leichtsinnige Fliege,
bist dn auch wieder da? — Du gingst auch gescheidter zu deiner Frau und
Deinen sechs Kindern, die zu Hause nicht satt zu essen haben!" — Als ob sie sich
getroffen suhlte, saust die „leichtsinnige Fliege" weg. — „Nun, schöne Maske,
wohin so eilig? Dürft' ich dich begleiten?" — Mit einem seltsamen Blicke nickt
die Unbekannte zu. Der Galan redet sich allmählich ins Liebesfeuer hinein und
entdeckt schließlich, daß er, ohne es zn ahnen, all' seine Süßigkeiten an -— seine
eigene Frau verschwendet, die vielleicht hier ihren Gatten beobachten wollte.
Noch größer aber wird die Enttäuschung Dessen, der seiner Angebeteten endlich
stürmisch die Larve entreißt und statt des holden Mädchenantlitzes — ein bär¬
tiges Männergesicht entdeckt, das ihn mit wieherndem Hohngelächter verläßt.
Das Beste ist, wenn er dann kräftig mitlachen kann. Diese und ähnliche Vor-
kommnisse nnd Jntrignen wiederholen sich wol ans allen derartigen Maskenbällen.
Nach und nach wird das Treiben immer animirter und toller. Masken-
züge von anderen Bällen und Gesellschaften erscheinen, Menagerien, Zeitbilder
und politische Anspielungen machen das Treiben pikanter — doch übelnehmen
darf man nichts. Gesandtschaften aller Art bringen der Regentschaft des Prinzen
Karneval ihre Huldigungen dar, und dieselbe vertheilt guädigst ihre Orden an
verdiente Männer. Auch das tapfere Funkenheer ist mit Fahne und Musik
ausgezogen und bildet Spalier, innerhalb dessen von hohen und höchsten Personen
eine tolle Quadrille getanzt wird.
Da erscheint unter großem Jubel die berühmte Gesellschaft „Zum Hahnen"
mit ihren zahlreichen Käfigen, aus denen später das Grauen des Tages ange-
kräht wird. Doch daneben rauscht die bunte, tolle Menge nach wie vor, kommt
und geht, wie Flut und Ebbe des Meeres. Darüber braust immer wilder und
lärmender die Tanzmusik.
Wir ziehen uns in ein Nebenzimmer zurück, wo ein Kreis lustiger Zecher
die Champagnerpsropfen knallen läßt. Don Juan mit seiner Zerline, Figaro
mit seiner Susanne und dem holden Pagen, Papageno mit seiner Papagena,
der dicke Falstasf, Vater Noah und Leporello,' Bestevader, Henneschen und Marize-
bill, Alles sitzt hier in holder Eintracht, scherzt, lacht, singt und trinkt. Plötzlich
erscheint auch der „wilde Jäger", und wir glauben das „wilde Heer" dnrch die
Lüfte sausen zu hören. Walküren reiten durch die Luft, Siegfried spriugt durch
die Waberlohe — Richard Waguer erscheint, und die „Götterdämmerung" bricht
herein. Es donnert, wettert, blitzt und kracht — Alles sinkt zu Boden — da
erwache ich — habe ich geträumt oder gewacht? — ich fühle meinen Kopf —
wo bin ich? — Gott sei Dank! — ich liege in meinem Bette. —
Am Aschermittwoch fand das Fest in den Fischessen seinen Abschluß. Gar
Mancher zieht oft sein „Nippet" (Portemonnaie) und findet Alles wüst und leer.
Wie leichtsinnig oft das Volk nnd selbst die ärmere Klasse ist, mag die
Verordnung der Leihhausverwaltung beweisen, acht Tage vor Karneval keine
Versatzgegenstände mehr anzunehmen. Wird ja doch von Köln oder von Mainz
die bekannte Anekdote erzählt, daß einst Mann nnd Frau aus mittelloser Klasse
lange insgeheim hin und her grübelten, wie sie es möglich machen könnten, den
Maskenball zu besuchen. Endlich trafen fie sich, ohne sich zu kennen, daselbst
und erzählten sich mit Lachen, daß die Frau das Unterbett und der Mann
das Oberbett versetzt hatte. Welche Ueberraschnng, als sie sich entpuppten!