Kunz von Kaufungen und der Prinzenraub. 107
zurückgebliebenen Hofleuten in der Stadt ein Gastmahl geben werde; es würden
also auf dem Schlosse — das vor der Stadt auf einem Berge liegt — von
allen Hofbedienten nur ein alter Trabant und der bettlägerige Pförtner an-
wesend sein. Eine bessere Gelegenheit konnte sich nicht darbieten, und Häher
bestimmte Kunz die Nacht vom 7. zum 8. Juli zur Ausführung seines Rache-
planes. Um seinem Beginnen den Anschein einer rechtmäßigen Ritterfehde zu
geben, schickte er zwar dem Kurfürsten seinen Absagebrief, aber doch so, daß er
erst neun Stunden nach der That in dessen Hände gelangte.
Die beiden Prinzen.
Schnell wurden die Mitverschworenen herbeigerufen, und in aller Stille
rückten sie in der Nacht nach 11 Uhr aus einem dem Schlosse nahen Walde,
wo sie sich bis dahin verborgen gehalten hatten, auf dasselbe zu. Um alles
Geräusch möglichst zu vermeiden, hatte man die Hufe der Pferde mit Stroh
umwunden. Auf einer Strickleiter, die Hans Schwalbe an einem Fenster be-
festigt hatte, erstiegen die Ritter das Schloß, allen voran Knnz von Kaufungen.
Bald war der alte Trabant gefesselt und in ein entlegenes Zimmer gesperrt;
die Schlafgemächer der Kurfürstin und ihrer Kammerfrau wurden verriegelt.
Kunz, der ehemals Schloßhauptmann gewesen und folglich mit allen Räumlich-
keiten vollständig vertraut war, führte nun die Seinen nach dem Gemache der
Prinzen. Diese wurden aus den Betten gerissen, mit dem Tode bedroht, wenn
sie Lärm machen würden, und zum Ankleiden gezwungen. Kunz war mit dem
Prinzen Ernst nach dem Schloßhofe vorausgeeilt; als aber die Genossen nachkamen,
ergab sich, daß sie statt Ulberts den jungen Grafen von Barby, der mit den
Prinzen erzogen wurde, ergriffen hatten. Rasch brachte Kunz diesen ins Schloß
zurück und holte den Prinzen, der sich in seiner Angst unter das Bett versteckt
hatte. So vorsichtig die Räuber verfuhren, so ließ sich doch bei ihrer großen Zahl
nicht alles Geräusch vermeiden, und davon erwachte die Kurfürstin Margaretha.