46 Der Kamm des Gebirges und das Hügelland der Elster und Mulde.
Räume eine mannigfaltigere. Es möchte eben so schwer fallen, Industriezweige
zu nennen, die hier nicht vertreten sind, als in der Kürze alle vorhandenen
zusammenzustellen.
Den Aussichten, welche sich von den Höhen dem Wanderer darbieten,
gebührt noch eine besondere Berücksichtigung. Die große Ausdehnung des Ge-
birges nach Länge und Breite bedingt eine große Mannigfaltigkeit derselben.
Auf der nördlichen Abdachung ist es natürlich zunächst das Gebirge selbst,
welches den Blick sesselt, seine Gipfel, Rücken und Thalgründe, seine Wälder
und Felder, die hochliegenden Städte und Schlösser und die langgedehnten
Dörfer. Je nach der Lage des Aussichtspunktes wird bald der eine, bald der
andre Gegenstand zum Charakterzuge im jedesmaligen Landschaftsbilde: näher
dem Kamme sind es die einsamen Wälder, weiter nach Norden die Fluren und
Ortschaften. Dazu kommen die Nachbargebiete: im Westen das Vogtland, in
der Mitte das im Norden vorgelagerte Hügelland und im Osten die schroffen
Formen der Sächsischen Schweiz, sowie in dämmernder Ferne die lieblichen Land-
schasten des Elbthales. Die prächtigsten Aussichten aber genießt man vom
Kamme des Erzgebirges, wo die Gegensätze sich häufen. In der Nähe steigt
der Abhang von sächsischer Seite fast unmerklich bis zur Kammlinie, um dann
mauerartig nach der Tiefe abzustürzen. Hier breitet sich am Fuße in Böhmen
Flach- und Hügelland aus, dessen Einzelheiten wir auf unferm hohen Stand-
punkte mehr ahnen als erkennen, wo dicke Rauchmassen die Stellen der Braun-
kohlengruben und leichtgekräuselte, in die Länge gezogene Dampfwölkchen den
Lauf der Eisenbahnlinien anzeigen. Jenseit desselben erhebt sich im Osten das
Mittelgebirge mit seinen reihenweise geordneten Basaltkegeln; westlich davon
die nordböhmische Terrasse, besonders um Karlsbad, wo basaltische Massen
zwischen Granit austreten und dadurch die Formen der Berge noch mehr wechseln.
Auf den östlichen Punkten des erzgebirgischen Kammes bleiben dabei immer
noch Teile des Elbthales und die Sächsische Schweiz, ja über letztere hinaus auch
Berge des nordöstlichen Böhmens im Gesichtskreise, und auf den westlichen kann
man unter günstigen Umständen in unbestimmten Linien auch Teile des Fichtel-
gebirges wahrnehmen. Man braucht daher gar nicht besonderes Glück mit dem
Wetter zu haben; denn wenn nicht alles von Nebel und Wolken verschleiert ist,
so muß wenigstens nach einer Seite ein schönes Bild zu sinden sein.
Will man den Südabhang in seinen Einzelheiten kennen lernen, so
muß man nach Böhmen hinabsteigen, denn infolge feiner Steilheit kann man
ihn von oben nicht überblicken. Hier am Südfnße ermißt in einiger Entfernung
das Auge erst, wie gewaltig der Absturz ist, der sich während des Abstiegs
durch die Anstrengung der Kniee nur dem Gefühle bemerkbar machte. Wie eine
Wand steigt das Gebirge auf, von der hier und da Basteien nach vorn geschoben
sind, Buchten sich nach rückwärts ziehen und enge Thäler fjordartig einschneiden.
Auch Terrassenbildung ist dort angedeutet, und weiter unten vermitteln die
letzten, etwas sanfteren Hänge den Übergang zur Ebene. Auf diesen liegen
in herrlicher Umgebung Schlösser mit Gartenanlagen, in denen die Kunst mit
geringen Mitteln der Natur nur etwas nachzuhelfen brauchte, und mit Wild-
parken, die Rehen und Hirschen Schutz gewähren. Auch manche Ruine blickt aus
dem Walde und versetzt uusern Geist in die Vergangenheit. Der Wald, ein
buntes Gemisch von Laub- und Nadelholz, zieht sich bis zu diesen unteren