Full text: Bilder aus dem Gebirge und Berglande von Schlesien und den Ebenen in Posen von der Oder bis zur Weichsel (Bd. 8)

' 
148 Das Riesengebirge. 
Prokops des Großen lagerte sich diese wilde Horde vor Landeshut, um dort ihrer 
Grausamkeit ein blutiges Denkmal zu setzen. Die Hnssiten fanden tapferen Wider- 
stand und zündeten die Stadt an mehreren Stellen an. Landeshuts Bürger aber 
boten alles auf, die Stadt zu retten und die unbarmherzigen Würger von sich 
fern zu halten. Mit vereinter Kraft brachten sie den stürmenden Feind zum 
Weichen: und so groß war ihr Mut, daß keiner der hochherzigen Männer von 
dem ihm angewiesenen Verteidigungsplatze wich. Frauen, Jünglinge, Jung- 
frauen kämpften gegen die Flammen, um das vernichtende Element zu bezwingen. 
Die stürmenden Hnfsiten mußten die Belagerung aufheben und auf die Eroberung 
Landeshuts verzichten. 
Desto schlimmer erging es dem wehrlosen Stifte Gnissau, gegen welches 
die Wilden nun ihren verheerenden Raubzug richteten. Im Blute hingeschlachteter 
Opfer wollten sie ihren Rachedurst stillen und ihre Wut über die mißlungene 
Erstürmung Landes Huts kühlen. Es eröffnet sich in Grüssaus friedlichen Mauern 
eine Blutszene, deren grausiges Bild, das die Wildheit einer längst mit allen ihren 
Greueln in den Zeitenstrom versenkten Vergangenheit widerspiegelt, lieber mit 
Vergessenheit bedeckt werden sollte, weil es den Menschen nicht nur in herz- und 
fühlloser Grausamkeit, sondern in seinem tigerartigen Blutdurste zeigt. Der un- 
vergeßliche Tag tiefster Trauer und der bangsten Trostlosigkeit, an welchem in 
Grüssau ein entsetzliches Blutbad angerichtet wurde, war der 21. Juli 1426, ein Tag 
grauenvoller Verwüstung und blutgierigen Mordens und Würgens. Die Ordens- 
männer hatten sich nicht geflüchtet, der Abt war nicht im Kloster, sondern auf einer 
Geschäftsreise in Schweidnitz. Die Mörder traten ins Stift unter die Brüder, die 
in stiller Ergebung der Dinge harrten, die im kommen sollten. Sie verlangten 
von den Priestern das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und bedrohten mit 
dem Tode den, der ihnen den Kelch vorenthalten würde. Die Priester weigerten 
sich aber aufs entschiedenste, den Grundsätzen ihrer Kirche untreu zu werden. 
Im Kloster waren 72 Mönche, nämlich 30 Priester, 13 Diakonen, 6 Snbdiakonen, 
6Profeffen (welche noch keine Weihen erhalten hatten), 6 Konversen und 6 Novizen. 
Sie alle wurden unter den ausgesuchtesten Martern hingemordet. Als die Hus- 
siten abzogen, waren alle Wände in den weiten Hallen des Heiligtumes und in 
den weiten Kreuzgängen des Stiftes mit Blut bespritzt. Die Leichname der 
Märtyrer schwammen im Blute. Dem zurückkehrenden Abte stellte sich das Bild 
des grauenvollsten Entsetzens vor das thränenschwere Auge; denn die Hussiten 
hatten auch Kirche und Kloster zerstört und einen Teil sogar niedergebrannt, 
den ganzen Kirchenschmuck und alle wertvollen Gegenstände geraubt und, was 
nicht fortgebracht werden konnte, zertrümmert. Die Spuren des Vandalismus 
waren lange nicht zu vertilgen. Der Gram über das namenlose Elend verzehrte 
das Leben des frommen Abtes, dessen Schultern nun eine schwere Bürde drückte; 
er starb nach fünf kummervollen Jahren im Jahre 1431. Seinen Nachfolgern 
wurden zwar die Privilegien des Klosters bestätigt; aber die Wunden, die ge- 
schlagen waren, konnten nicht so schnell geheilt werden; das Kloster mußte Güter 
verkaufen oder verpfänden und Schulden machen. 
Noch waren die Schäden nicht beseitigt, da brach der verheerende Krieg aus, 
der dreißig Jahre lang in Deutschland wütete, der auch für Grüssau wieder 
verhängnisvoll wurde. Im Jahre 1620 ermordeten die Bürger von Schöm- 
berg, welche zur Lehre Luthers übergetreten waren, den Abt des Klosters, der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.