Full text: Bilder aus dem Gebirge und Berglande von Schlesien und den Ebenen in Posen von der Oder bis zur Weichsel (Bd. 8)

Die zweite schlesische Dichterschule. 329 
zukommen; seine Dichtungen enthielten Mutwillen und Frivolität und sinnliche 
Glut; er dichtete außer vielen andern Gedichten auch Heldenbriefe, in denen er 
eine Reihe historisch berühmter Liebesbegebenheiten nach dem Vorbilde Ovids 
durch Briefe, die er die Liebenden aneinander richten läßt, schildert. Einen 
falschen Freund stellt er in folgenden Versen dar: 
„Was ist doch insgemein ein Freund iu dieser Welt? 
Em Spiegel, der vergrößt und fälschlich schöner machet, 
Ein Pfennig, der nicht Strich und nicht Gewichte hält, 
Ein Wesen, so aus Zorn und bitt'rer Galle lachet, 
Ein Strauchstein, dessen Glanz uns Schand' und Schaden bringt, 
Ein Glas, an Titeln gut und doch mit Gift erfüllet, 
Ein Dolch, der schreckend ist und uns zu Herzen dringt, 
Ein Heilbrunn, wie er heißt, aus dem Verderben quillet, 
Ein goldgestickter Strang, der uns die Gurgel bricht, 
Ein Freund, der ohngesähr das Herze hat verloren, 
Ein Honigwurm, der stets mit süßem Stachel sticht, 
Ein weißes Hennenei, das Drachen hat geboren, 
Ein falsches Krokodil, das weinend uns zerreißt, 
Ein recht Sirenenweib, das singend uns ertränket, 
Ein Saft, der lieblich riecht und doch die Haut durchbeißt, 
Ein Mann, der uns umhalst, wenn seine Hand uns henket, 
Ach, hätt' ich, was ich schrieb, nicht auch zugleich erfahren!" 
Sowohl im grellen Auftragen der Farben als in der Schlüpfrigkeit der 
Darstellung wird Hoffmannswaldau noch überboten durch Daniel Kaspar 
von Lohenstein, der im Jahre 1635 zu Nimptsch im Fürstentum Brieg ge- 
boren wurde. Erst sieben Jahre alt, trat er in das Gymnasium zu Breslau 
ein, lenkte durch sein Talent und seinen Fleiß die Aufmerksamkeit seiner Lehrer 
auf sich, dichtete, 15 Jahre alt, das Trauerspiel „Ibrahim Bassa" und bezog 
im Jahre 1650 die Universität Leipzig, um Rechtswissenschaft und neuere 
Sprachen zu studieren; er machte viele Reisen, wurde dann Syndikus der Stadt 
Breslau, kaiserlicher Rat und starb als Protosyndikus in Breslau im Jahre 
1683. Lohenstein war ohne Zweifel ein bedeutendes dichterisches Talent und 
hätte gewiß etwas Bedeutendes geleistet, wenn er nicht auf die Nachahmung 
Hoffmannswaldaus und der Italiener versallen wäre. In seinem vier dicke Bände 
starken Roman „Arminins und Thusnelda" entfaltet er den ganzen Reichtum seiner 
wüsten Vielwisserei. Wie überschwenglich Lohensteins Poesie ist, mögen die Lobes- 
erhebungen beweisen, welche der Dichter die Sonne über die Rose sagen läßt: 
„Dies ist die Königin der Blumen und Gewächse, 
Des Himmels Braut, ein Schatz der Welt, der Sternen Kind, 
Nach der die Liebe seufzt, ich Sonne selber lechze, 
Weil ihre Krone Gold, die Blätter Samet sind, 
Ihr Stiel und Fuß Smaragd, ihr Glanz Rubin beschämet, 
Dem Safte Zucker weicht, der Farbe Schneckenblut, 
Weil ihr Geruch die Luft mit Balsame besämet, 
Wenn der beliebte West ihr tausend Huld anthnt. 
Kurz, sie ist ein Begriff der schönen Welt, ein Spiegel 
Der Anmut und der Lieb' ihr wahres Ebenbild: 
Der Dorn ist ihr Geschoß, die Blätter sind die Flügel, 
Zur Fackel dient ihr Glanz, das Laubwerk ist ihr Schild."
	        
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