Full text: Lehrproben zur Länderkunde von Europa

III. Wie werden wir reisen? 87 
jeder Brief 20 4 kostet: da muß man sparsam sein mit dem Schreiben. Wenn Dn 
das Geld erhalten hast, dann gehe hinüber zu Franzelli und bitte ihn, mir den 
Empfang anzuzeigen. Sei ihm recht gefällig dafür, hoffentlich seid Ihr alle gesund, 
was ich auch von mir sagen kann. 
Es grüßt Dich und die Kinder herzlichst Euer Vater Seraphino. 
7. Wie die Rinder in Venedig aufwachsen. (Nach G. Kinkel, Eine 
Gondelfahrt durch Venedig.) 
Liebe Kinder, ich kann Eueren Wunsch wohl begreifen, daß Ihr, wenn Ihr die 
schönen Karten seht, die ich Euch geschickt habe, in diesen Tagen gern mit mir in 
Venedig wäret. Ihr träumt wohl von den vielen Palästen und Kanälen, den lautlos 
gleitenden Gondeln und dem Lido, den Tauben auf dem Platz vor 5. Marco, von 
den Löwen und was sonst. Aber beneidet die kleinen Zungen nicht, die hier in 
Venedig aufwachsen, um diese Herrlichkeit! viele von ihnen wenigstens sind herzlich 
zu bedauern. Denkt, sie haben keinen freien Platz, auf dem sie spielen könnten, nicht 
einmal rechte Straßen, und an den schmalen (ZZuais ist es gefährlich, weil nirgends ein 
Geländer ist. Tin unvorsichtiger Tritt, und es ist zu spät: denn selten ist ein Retter 
zur Stelle: am Grunde des lvassers ist tückischer Morast. Denkt auch nicht, die 
Zungen gingen dann in den Garten. Nichts als finstere Höfe haben sie, in die 
wohl nie ein Sonnenstrahl sich verirrt. Oder sie gingen hinaus in Feld und Wald, 
aus die Berge, an murmelnde Bäche und blumige Wiesen, Schmetterlinge zu 
haschen. Kaum daß sie ein grünes Blatt zu sehen bekommen. Pferde sind so selten 
wie bei uns Kamele. Seht, das ist ein trauriges Leben! Und wie viele Kinder 
müssen vom Bettel leben. Um einen Tentesime balgt sich eine ganze Schar. 
Nun wird Euere Sehnsucht für's erste verflogen fein! Aber wenn Ihr einmal 
groß seid, dann müßt Ihr kommen. 
Es grüßt Euch beide recht herzlich Euer Gnkel. 
8. Brief an eine Kusine, die mit ihrer Herrschaft kommenden Sommer 
Italien bereisen will: Warnung wegen der Malaria. 
Liebe Kusine, Ihr geht also nächsten Sommer nach Italien! Wie freue ich 
mich für Dich! Wenn ich mich nur sechs Jahre älter machen könnte, so würde ich 
gleich auch mitgehen! Da würde ich vor allem sehr begierig sein auf die Fahrt 
durch den Gotthardtunnel! hu, 20 Minuten unter der Erde und, wenn man durch 
ist, blauen italienischen Himmel? Die Eisenbahnfahrt auf den Vesuv stelle ich mir 
auch schön vor. Und dann auf dem Rand des Kraters herumzufpazieren und in den 
brodelnden Feuerschlund hinunterzugucken! Wäre ich in Neapel, dann müßte ich 
auch gleich einmal einen Abstecher nach Sizilien machen in die Schwefelgruben, um 
das Elend dort mit eigenen Augen zu sehen. Die Messina-Drangen frisch vom Baum 
müßten mich dann wieder entschädigen. Und nun noch alle die Kunstschätze in 
Venedig, Florenz und Rom! Aber wenn Ihr im Sommer geht, dann bangt mir 
für Deine Gesundheit. Hast Du denn gar keine Angst vor der Malaria? Gder 
kennst Du diese Volkskrankheit nicht? Sie geht um wie bei uns die Influenza; 
nur ist sie noch viel schlimmer und wiederholt sich sehr oft. Nur sechs Provinzen 
sind von dieser Seuche frei. Denke, wenn Du in Rom im Krankenhaus liegen müßtest! 
8—14 Tage hättest Du mit der Krankheit zu tun, und dann wärst Du wohl so 
geschwächt, daß Du keine Freude mehr an Italien hättest. Da solltet Ihr doch die 
Reise im Frühjahr oder herbst ermöglichen. Ich bin gespannt auf die Antwort. 
herzlich grüßt Dich Deine Kusine Marie. 
9. Gang in die Galerie: Betrachtung des Bildes „Prozession in Rom" 
(O. Achenbach).
	        
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