23. In der Landschaft Lakonien.
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stößt man hier auf verfallene Palaste, lateinische Wappeninschriften, fränkische
Gräber, oder eine von Gebüsch umwucherte byzantinische Kirche. Weitläufig
und öde ist es in den Mauern des Städtchens, das für Tausende von Menschen
Raum hätte. Aufwärts von Mistra gelangt man in die großartigste Gebirgs-
wildnis. Da sieht man senkrechte Wände aus hellgelbem Fels und turmartig
freistehende Steinpfeiler, welche zum Sturze geneigt scheinen. Auf gefahrvollen
Klettersteigen geht es zum Passe hinauf. Malerisch sind die mit Grün be-
deckten Flecke auf den kleinen Stufen oder Terraffen, welche von Zeit zu Zeit
aus den himmelhohen Wänden hervortreten. Aus der Tiefe donnert ein
Sturzbach, ragen hundertjährige Platanen und Fichten mit ihren Gipfeln auf-
wärts. Seitliche Schluchten gähnen finster und öde dem Wanderer entgegen.
Die ganze Landschaft erscheint starr und eckig uud deuuoch feierlich-ernst, wie
von Künstlerhand geformt. Ereignet es sich in diesen Höhen, daß plötzlich
ein Nebel eintritt, dann wird die Lage des Reisenden eine höchst bedenkliche;
die Reit- und Tragtiere beginnen auf den nassen Schiefertafeln auszugleiten,
und der Führer verliert nicht selten die Richtung im Geklüft. Ist endlich die
Paßhöhe erreicht, dann beginnt ein nicht ^minder beschwerlicher Abstieg. Aber
alle Mühseligkeiten sind vergessen, wenn plötzlich das schöne Wasserbecken des
Golfes von Koron sich ansthnt, wenn das glückliche Meffenien, das ein Garten
im Süden, ein Hain im Norden ist, nun im Sonnenscheine vor dem Blicke
des Wanderers liegt. Man kommt in der Höhe des Gebirges nach einem
kleinen Orte (Lada Kutzawa), der ein wahrer Geierhorst ist, und begreift kaum,
wie es möglich war, die Häuser an diefe dräuenden Vorfprünge zu kleben.
Die Quellen, welche hier überall rauschen, haben auf dem kahlen Felsboden
leider nichts zu befruchten. Beim weiteren Abstiege treffen wir überall
Terraffenban, und es gedeihen Oliven, Feigen- und Maulbeerbäume an den
Hängen in üppigster Fülle. Die weiche Luft des Südens streift die Stirne;
die düsteren Schluchten und tosenden Wasferstürze, die schroffen Hänge und
Nebelschleier find hinter uns, und weit draußen funkelt das. Meer im Glänze
der Souue. Bei einem Dorfe, das unweit des homerischen Dorfes Kardamyle
liegt (welches dem zürnenden Achilleus vou Agamemnon zum Geschenk ange-
boten wird), endet unser Klettergang.
So bildet das Taygetosgebirge mit seinen Schwindelpfaden, schauerlichen
Abhängen, tiefen Thaleinfchnitten und braufenden Wildbächen eine in jeder Be-
ziehnng großartige Landschaft, die ihresgleichen anf griechischer Erde kaum
wiedersindet. Gemildert wird die wilde Seenerie aber durch die Pstanzen-
pracht am Fuße des Gebirges. Platanen und Erpressen und allerlei südliche
Fruchtbäume bilden hier Wälder und Haine. Wenn es gerade Frühling ist,
dann weht der Duft des Yasmin, der Narzissen und Veilchen vom Gebirge
her. Bäche rieseln zu Thal, und die blühenden Oleanderzweige neigen sich zur