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A. Auf der Pyrenäenhalbinsel.
manche stolze, hochbogige Brücke spannt sich über einen dünnen Wasserfaden
oder gar über ein ganz wasserleeres Bett. Nur selten ist der dürstenden Flur
die Wohlthat eines erquickenden Regens vergönnt, denn der Regen ist hier
nicht eine regelmäßig sich wiederholende, freundliche Spende des Himmels,
nein gleichsam willkürlich, in monatelangen Zwischenräumen nnd dann in Form
verheerender Wasserstürze strömt er nieder. Diese Regen fallen im Frühjahr
und Herbst, den angenehmeren Jahreszeiten, die sich aber durch kürzere Dauer
und plötzliche Temperaturschwankungen von 15 bis 20 Grad und mehr von
den entsprechenden Jahreszeiten bei uns unterscheide^ Wie der Sommer durch
eine sich immer gleichbleibende drückende Hitze, so zeichnet sich der Winter
durch eine nicht minder gleichmäßige, oft hochgesteigerte Kälte aus. Vom
Oktober bis zum Februar friert und schneit es, und die Steppen senden eisige
Winde nach den Meeresküsten. Der Tod durch Erfrieren ist eine Erscheinung,
die man in so südlicher Landschaft kaum für möglich halten söllte. Aber zu-
weilen führt der Winter ein gar gestrenges Regiment; in der spanischen Haupt-
stadt sinkt die Temperatur zuweilen ans — 9 0 C. So ergiebt sich ein Gegen-
satz von 51° C zwischen den äußersten Hitze- und Kältegraden.
Unter solch einer Ungunst des Klimas leidet nun empfindlich die Vege¬
tation des Landes. Die Trockenheit der Luft hat die völlige Baumlosigkeit des
spanischen Tafellandes zur Folge. Selbst die niedrigen, dasselbe durchziehenden
Hügel starren uns oft mit nackten, leblosen Abhängen entgegen. Nur hier
und da sind sie bewaldet. Kiefergehölz deckt vielleicht deu Abhang, oder Stein-
eichen klettern die Höhen hinan, aber die Bänme stehen weitläufig und erheben
fich nur zu mäßiger Höhe. Kaum gewinnen wir den Eindruck eines Waldes.
Bon Waldesleben und Waldesfrische weiß der Bewohner des spanischen Hoch-
landes nichts, Tausende haben nie einen Waldbanm zu sehen bekommen, und
es scheint, als ob der Spanier die Entbehrung dieses Naturgeuuffes gar uicht
empfände; denn man schont nicht einmal die vorhandenen Waldbestände, ge-
schweige, daß man an neue umfängliche Anpflanzungen dächte. Die fplitter-
nackten aus Lehm erbauten Gehöfte nnd Ortschaften, ein beängstigender An-
blick für deu Nordländer, bergen sich nicht in den Schatten der Laubbäume,
nur hier und da liegt, im heimlichen Verstecke verloren, irgend eine kleine Oase
mit Bäumen und Grün. Die Umgebung der Städte kleidet fich wohl auch
iu eiu anmutigeres Gewand, zuweilen aber lagert sich die Ode auch um die
Mauern der Städte. So liegt z. B. Valladolid zwischen unfruchtbaren, kahlen
Gipshügeln. Was man von Bäumen gewahrt, das sind Olivenpflanzungen.
Denn wo der castilianische Bauer Bäume pflegt, da erstrebt er einen unmittel-
baren Nutzen, da sollen sie ihm auch die Mühe durch ihre Früchte lohnen.
Auch der Weinstock findet sich angebaut, aber wie die Olive gedeiht er nur,
wo man ihn sorgsam schützt vor den kalten Winden, die fcbon im L ttober