2. Madrid.
19
gnügen, den Stierkampf, vorüber, und Madrid rühmt sich sogar, in seinem
Stiercirkns eines der prächtigsten Gebäude dieser Art in Spanien zu besitzen.
Derselbe liegt 2 Kilometer vom Thore von Alcala entfernt, am Ostende der
Stadt, eigentlich fchon niitten in der Wüste, denn diesen Namen verdient die
Umgebung Madrids — es ist eine sonnenverbrannte, pflanzenlose Öde, die
mit den letzten Häusern der Stadt beginnt. Der Kranz von Gärten und
Villen, mit denen Großstädte ihr Weichbild zu schmücken Pflegen, fehlt hier
gänzlich —- nur zerrissene Hügelzüge, ausgedörrte Flächen, trostlose Einöde
nah und fern. Madrid müßte verhungern, wenn die Zufuhr von den Häfen
der Nordprovinzen, von Valencia und Andalusien plötzlich unterbrochen würde;
das beweisen die zahlreichen mit Nahrungsmitteln aller Art, mit Mehl, Kakao,
Früchten, Wein und Fischeu beladenen Züge, welche von den Küsten her alle
zum castilischeu Hochlande hinaufkeuchen und leer zum Meeresstraude zu-
rückeilen.
Aber nicht bloß in Hinsicht auf feine landschaftliche Lage darf sich Madrid
mit Lissabon und ^anderen Hauptstädten nicht messen — auch das gefährliche
Klima beeinträchtigt die Reize der Stadt. Infolge feiner ungeschützten hohen
Lage inmitten der vegetationslosen Hochebene ist Madrid den Winden preis-
gegeben, von welchen besonders der aus dem Süden kommende, glühendheiße
Solano (der Seirocco Spaniens) und der eisigkalte, von den Schneefeldern der
Sierra de Guadarrama und de Gredos herüberstürmende Nordwind die ge-
sürchtetsten sind. Diese bleiben nicht ohne Einfluß auf das Klima, und die
Madrilenos selbst kennzeichnen es mit dem Sprichwort: „Neun Monate Winter,
drei Hölle". In der That sind drei volle Monate, in denen die Natur iu
eiueu wirklichen Sommerschlaf versinkt, in Madrid eine Hölle, und das Ther-
mometer steigt gelegentlich auf 420 C., und wenigstens der Dezember und
Januar bringen -oft große Kälte (bis 9°). Daher vergeht auch in Madrid
kein Winter ohne Schnee und der Teich des Bueu Retiro-Parks dient oft als
Schlittfchnhbahn. Aber nicht allein die bedeutenden Gegensätze des Klimas
im Lause des Jahres gefährden die Gesundheit — gefährlicher noch ist die
Beschaffenheit der Luft. Madrid hat infolge seiner Höhenlage, der Nähe des
Guadarramastocks, an dem sich die mit den Nordwestwinden kommende Feuchtig-
keit niederschlägt, und der Steppennatur des castilianischen Hochlandes eine
sehr feine, durchdringende, trockene Luft, von der man fagt, daß sie einen
Menschen töten könne, ohne ein Licht auszulöschen. Die Gefährlichkeit des
Klimas steigert sich aber noch infolge der plötzlichen Temperaturschwankungen.
Ost folgt einem glutheißen Tage ein kühler mit schneidendem Nordwind, ja
häufig macht der Guadarramawiud das Thermometer in wenigen Stunden um
20 Grade fallen, fodaß eine kleine Unvorsichtigkeit die gefährlichsten Folgen zu
haben pflegt. Daher sieht man in der Stadt selbst den Spanier selten ohne