Full text: Europa (mit Ausschluß des Deutschen Reiches) (Bd. 2)

2. Madrid. 
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gnügen, den Stierkampf, vorüber, und Madrid rühmt sich sogar, in seinem 
Stiercirkns eines der prächtigsten Gebäude dieser Art in Spanien zu besitzen. 
Derselbe liegt 2 Kilometer vom Thore von Alcala entfernt, am Ostende der 
Stadt, eigentlich fchon niitten in der Wüste, denn diesen Namen verdient die 
Umgebung Madrids — es ist eine sonnenverbrannte, pflanzenlose Öde, die 
mit den letzten Häusern der Stadt beginnt. Der Kranz von Gärten und 
Villen, mit denen Großstädte ihr Weichbild zu schmücken Pflegen, fehlt hier 
gänzlich —- nur zerrissene Hügelzüge, ausgedörrte Flächen, trostlose Einöde 
nah und fern. Madrid müßte verhungern, wenn die Zufuhr von den Häfen 
der Nordprovinzen, von Valencia und Andalusien plötzlich unterbrochen würde; 
das beweisen die zahlreichen mit Nahrungsmitteln aller Art, mit Mehl, Kakao, 
Früchten, Wein und Fischeu beladenen Züge, welche von den Küsten her alle 
zum castilischeu Hochlande hinaufkeuchen und leer zum Meeresstraude zu- 
rückeilen. 
Aber nicht bloß in Hinsicht auf feine landschaftliche Lage darf sich Madrid 
mit Lissabon und ^anderen Hauptstädten nicht messen — auch das gefährliche 
Klima beeinträchtigt die Reize der Stadt. Infolge feiner ungeschützten hohen 
Lage inmitten der vegetationslosen Hochebene ist Madrid den Winden preis- 
gegeben, von welchen besonders der aus dem Süden kommende, glühendheiße 
Solano (der Seirocco Spaniens) und der eisigkalte, von den Schneefeldern der 
Sierra de Guadarrama und de Gredos herüberstürmende Nordwind die ge- 
sürchtetsten sind. Diese bleiben nicht ohne Einfluß auf das Klima, und die 
Madrilenos selbst kennzeichnen es mit dem Sprichwort: „Neun Monate Winter, 
drei Hölle". In der That sind drei volle Monate, in denen die Natur iu 
eiueu wirklichen Sommerschlaf versinkt, in Madrid eine Hölle, und das Ther- 
mometer steigt gelegentlich auf 420 C., und wenigstens der Dezember und 
Januar bringen -oft große Kälte (bis 9°). Daher vergeht auch in Madrid 
kein Winter ohne Schnee und der Teich des Bueu Retiro-Parks dient oft als 
Schlittfchnhbahn. Aber nicht allein die bedeutenden Gegensätze des Klimas 
im Lause des Jahres gefährden die Gesundheit — gefährlicher noch ist die 
Beschaffenheit der Luft. Madrid hat infolge seiner Höhenlage, der Nähe des 
Guadarramastocks, an dem sich die mit den Nordwestwinden kommende Feuchtig- 
keit niederschlägt, und der Steppennatur des castilianischen Hochlandes eine 
sehr feine, durchdringende, trockene Luft, von der man fagt, daß sie einen 
Menschen töten könne, ohne ein Licht auszulöschen. Die Gefährlichkeit des 
Klimas steigert sich aber noch infolge der plötzlichen Temperaturschwankungen. 
Ost folgt einem glutheißen Tage ein kühler mit schneidendem Nordwind, ja 
häufig macht der Guadarramawiud das Thermometer in wenigen Stunden um 
20 Grade fallen, fodaß eine kleine Unvorsichtigkeit die gefährlichsten Folgen zu 
haben pflegt. Daher sieht man in der Stadt selbst den Spanier selten ohne
	        
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