14. Ausflüge in die Umgebung von Rom.
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des Jahres verbringen sie hier und schlafen in ihren zierlichen Barken, die
mit Delphinen, Sirenen, dem Bilde der Madonna oder dem eines Schutzhei-
ligen bemalt sind. Hier und da sitzt unter seinem großen, weißen Schirme ein
Maler, der Strand- und Fischerskizzen entwirft. Bei einem Spaziergange auf
dem Strande versucht man, die kleinen, flinken Taschenkrebse zu haschen, die
sich blitzschnell in den Ufersand zu versenken suchen. Die Menschen aber,
die hier alles essen, Frosch und Igel wie Nachtigall, nehmen diese Krebse
vom Boden auf, beißen die Schale entzwei und verzehren das Lebendige dar-
aus wie es ist. Auf dem Ufer findet man große Mengen von Marmor-,
Porphyr- und Serpentinstücken, die von den Wellen ans Ufer gespült
worden sind und alten römischen Uferpalästen, von denen man noch jetzt zahl-
reiche Gemäuer iu dieser Gegend antrifft, entstammen. Hier in Anzio (dem
alten Antium) hatten Apoll, Venus, Äskulap, Neptun ihre Heiligtümer; hier
war der Fortuna ein weithin berühmter Tempel errichtet. Das ganze Mee-
resufer von Toskana bis über Neapel und Salerno hinaus erstrahlte im
Schmuck der Marmorpaläste, Bäder, Gymnasien nnd Tempel, welche einen
fortlaufenden Kranz römischer Herrlichkeit bildeten.
Wir schlendern den Strand entlang, dem nahen Nettuno zu. Dem
gelben und roten Sande, dem vulkanischen Tuff, womit das Meeresufer über-
deckt ist, suchen wir möglichst auszuweichen. Bläuliche Disteln blühen am
Strande. An Stelle unserer Weiden und Erlen zeigt sich hier die weiß-
blühende Myrte, der Erdbeer- und Mastixstrauch, der goldblütige Ginster und
der wilde Ölstranch. Malerisch hängen Malven- nnd Brombeerblüten in
überreichen Kränzen von den Büschen und ringeln sich schaukelnd über den
Rand der Tuffwände hinunter. Vornehm blüht unter duftenden Kräutern
der altberühmte Akauthus mit seiueu korinthischen Blättern. Zu dieser
Pflanzenherrlichkeit kommt der Gesang der Nachtigall, die sich auf dieser ganzen
Seeküste bis Anfang Juli hören läßt.
Hinter Nettuno beginnt die pontinische Wildnis und zieht sich bis gegen
Terracina hin. Von Velletri südlich gelangt man auf der alten Via Appia,
die Pius VI. erneuerte, mitten hinein in die pontinischeu Sümpfe.
Wer sie bloß für traurige Moräste halten wollte, befindet sich im Irrtum.
Wohl gibt es hier Sümpfe und Seen genug, aber sie liegen in den Pracht-
vollen Waldungen versteckt, welche die Landschaft nach Westen hin bedecken.
Je näher dem Meere, desto mehr Wald zeigt das pontinische Land. Wo der
Wald nach dem Innern zu aufhört, dehnen sich endlose Wiesen, die weiter
landeinwärts sestem Ackerlande Platz machen. Der endlose, tiefgrüne Wald
im Westen ist belebt von allerlei wilden und halbwilden Tieren. Im Waldes-
dunkel streift das Stachelschwein umher; Hirsche und Wildschweine sind hier
den Verfolgungen des Menschen weniger ausgesetzt; mit ihrem Brüllen uud