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Wir können nicht ahnen, was der findige Menschengeist noch ersinnen
wird, um den Verkehr noch mehr zu erleichtern. Es kann sein, daß man
in hundert Jahren über unsere Verkehrsmittel genau so denkt und redet,
wie wir jetzt über die der guten alten Zeit. Perl, Oberplanitz.
(7. Schuljahr und Fortbildungsschule.)
55. Die Beleuchtung sonst und jetzt.
Am spaten Nachmittag eines rauhen, nebeligen Herbsttages im Jahre
1860 hatte sich vor einem Gasthause in Planitz eine große Menschen¬
menge angesammelt. Alle unterhielten sich erregt miteinander und
schauten erwartungsvoll nach den Fenstern des Gasthofes. Es war kein
Ungliick geschehen. Auch kein berühmter Fremder hatte in dem Wirts¬
hause Einkehr gehalten. Nein, etwas ganz anderes brachte die Menge
in solche Aufregung, etwas, wonach heutigen Tages kein Kind mehr sieht.
Der Besitzer des Hauses hatte von einer Reise eine neue Lampe mit¬
gebracht. Die sollte heute zum erstenmal brennen. Sie war nicht mit
Ül aus den Körnern der Raps- und Rübsenpflanzen zu füllen, sondern
mit einer dünnen, hellen und übelriechenden Flüssigkeit, die in Amerika
und an noch andern Stellen der Erde aus der Tiefe quillt, wie bei uns
das Wasser. Der Pfarrer, der Lehrer und andere Leute nannten sie Petro¬
leum, d. h. Steinöl. Alle waren erstaunt über das Helle Licht, welches
die neue Lampe spendete.
Ein alter Bergmann ging kopfschüttelnd von dannen. Er erinnerte
sich seiner Jugend. Mit welch ärmlichen Beleuchtungsmitteln hatte man
sich da behelfen müssen! t Kienspan, aus dem harzreichen Holz der Kiefern
bereitet, Wachskerze und Ollämpchen dienten schon seit vielen Jahrhunderten
allein dazu, die Wohnungen zu erhellen. Straßen und Plätze wurden
durch feuergefährliche Fackeln oder Pechpfannen erleuchtet. Dadurch, daß
diese Lichter viel Rauch und Übeln Geruch verbreiteten, wirkten sie auch
nachteilig auf die Gesundheit ein. Zudem erleuchteten sie die Wohn-
räume nur dürftig und gaben ein unruhiges und flackerndes Licht. Feine,
kunstvolle Arbeiten waren bei solcher Beleuchtung unmöglich. Sie konnten
nur am Tage hergestellt werden. Infolgedessen kostete ihre Verfertigung
viel Zeit, und der Preis mußte dann ein hoher sein.
Seit der Zeit sind nun fast fünfzig Jahre vergangen. Wie würde
jener alte Bergmann staunen, wenn er die heutigen Beleuchtungsverhält¬
nisse kennen leimte! Das Rüböllämpchen, das damals die Hauptrolle
spielte, ist fast verschwunden. Nur als Stall- und Kellerlampe findet
man es noch hie und da. Die Petroleumlampe aber hat sich in kurzer
Zeit die Welt erobert, trotzdem man ihr zuerst mit großem Mißtrauen
entgegenkam. Durch fortwährende Verbesserungen wurde ihre Leuchtkraft
und Sicherheit erhöht. Nach und nach erhielt sie auch ein schöneres
und gefälligeres Aussehen. Sie wurde bald nicht nur ein unentbehrliches