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gewohnt hatte, noch in Zukunft zufallen sollte. Aber es ist dafür 
gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. 
Bei einer Zusammenkunft in Chiavenna am Comer See (nach 
anderen: zu Partenkirchen in Oberbayern) war es, da suchte Friedrich 
im Angesicht der Großen des Reiches den Welfenherzog Heinrich den 
Löwen mit dringenden Worten zur Erfüllung seiner Pflicht zu be- 
wegen. „Heinrich, als des Reiches Oberhaupt," sprach Friedrich, 
„befehle ich Dir, daß Du als des Reiches Herzog mir Heerfolge 
leistest" — und so ernst war die Lage, so Großes stand auf dem 
Spiele, daß der Kaiser selbst das Mittel nicht verschmähte, das seiner 
stolzen Seele wohl am schwersten ankam: er erhob sich in heftiger 
Gemütsbewegung, schritt die Stufen des Thrones hinab, kniete vor ihm 
nieder und umfaßte seine Kniee: „Heinrich, verlaß mich nicht in dieser 
Not, um Deiner, um meiner, um des Reiches Ehre willen!" — Fin¬ 
ster und grollend stand der Löwe, das Antlitz von ihm abgewandt, 
das Haupt stolz in den Nacken zurückgeworfen, vor dem knieenden 
Kaiser. Da fühlte dieser auf feiner Schulter den sanften Druck einer 
weichen Hand. Es war seine Gemahlin Beatrix, die ihm leise genaht 
war und würdevoll sprach: „Lieber Herr, stehe auf; Gott wird Dir 
Hilfe senden, wenn Du eiust dieses Tages und dieses Hochmutes ge- 
denkest!" — Der Kaiser stand auf; die Zusammenkunft war ohne 
Erfolg verlaufen. Die großartigen Pläne des Hohenstaufenkaisers 
scheiterten au dem trutzigeu Widerstaude und der Felonie seines mäch- 
tigsten Vasallen, aber von diesem Augenblicke an, als Heinrich der 
Löwe den Hohenstaufen vergeblich vor sich knieen ließ, beginnt der 
Niedergang und Fall des einst so mächtigen Welsenhanses. Sechs 
Jahre nach jener Zusammenkunft bei Chiavenna sehen wir Heinrich 
den Löwen auf dem Reichstage zu Erfurt dem Kaiser sich gnade- 
flehend zu Füßen werfen. Vielleicht hätte der Kaiser noch Milde 
walten lassen, allein die versammelten Fürsten hatten bereits ihr Urteil 
gesprochen und drangen auf Vollziehung des Spruches. Derselbe 
lautete, daß Herzog Heinrich Lehen und Erbe durch seinen Treubruch 
verwirkt habe; nur sein väterliches Erbe, Braunschweig und Lüne- 
bürg — obgleich es nach Reichs- und Kriegsrecht ebenfalls verwirkt 
sei — solle dem Herzog zurückgegeben werden; dagegen solle er, um 
der sicheren Erhaltung von Ordnung und Ruhe willen, sieben Jahre 
lang das Reich meiden, welche Frist vom Kaiser später auf drei Jahre 
herabgesetzt wurde.
	        
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