Full text: Charakterbilder aus der Völkerkunde (Abt. 3)

Eskimo. 65 
in günstiges Licht gestellt. Sie sind gutmütig^ munter und 
hassen grobe Ausschweifungen. Trunkenheit und Schlägerei sind 
bei ihnen unbekannte Laster. Als sie die Wirkungen des 
Branntweins an den Europäern gewahr wurden, nannten sie 
ihn das Tollwasser, und wenn sie nun einen Menschen grobe 
Ausschweifungen begehen sehen, so pflegen sie zu sagen: „Sicher 
hat ihn das Tollwasser seines Verstandes beraubt". Weil die 
Eskimo so gutmütig sind, so setzt es sie in Erstaunen, wenn 
ein Europäer hart mit seinen Untergebenen verfährt. „Ihr 
behandelt eure Nebenmenschen wie Hunde", sagten sie oft bei 
solchen Gelegenheiten. Eben daher mag es auch wohl kommen, 
daß sie sich für besser als die Europäer halten und mit nicht 
geringem Stolze sagen: „Ich bin ein Eskimo!" Wollen sie 
einem Fremden ihre Achtung auf eine ausgezeichnete Art be- 
zeugen, so sagen sie: „Du bist so wie wir, Du bist ein Eskimo". 
Ich weiß nicht, ob man von den Eskimo sagen kann, sie 
hätten eine Vorstellung von Religion. Die Erde war im An- 
fang mit Wasser bedeckt — so erzählen sie — und als dieses 
gefallen war, erschien der Mensch; Agluktuk ist der Name des 
Menschen. Er erschuf die Landtiere und Fische; denn er fällte 
einen Baum, der bis über das Meer hinaushing, und die 
davon ins Wasser fallenden Späne wurden Fische, während die 
auf das Land fallenden Späne zu Tieren wurden. Ihr Para- 
dies liegt unter dem Meere, und während die, welche ein gutes 
Leben geführt haben, in ein Meer kommen, wo es Robben und 
Walfische in Menge giebt, wo sie frei von Sorgen und Mühen 
herrlich leben, rohes Fleisch und Thran in alle Ewigkeit ge- 
nießen können: müssen dagegen die Gottlosen in einem stürmt- 
sehen Meere sich aufhalten, wo jene Leckerbissen sich gar nicht 
finden, und wo selbst die gewöhnlichsten Lebensmittel nur mit 
großer Not herbeigeschafft werden können. Obgleich die „Tanaks" 
oder Toten im Meere wohnen, so gehen sie doch, wenn sie Lust 
haben, auch dem Vergnügen der Jagd auf dem Lande nach, 
und man hört, wie sie einander rufen, wenn sie das Renntier 
verfolgen. 
Die Toten werden auf die Felsen gelegt und mit Eis oder 
Steinen bedeckt. Allein das ist nur eine schwache Schutzwehr 
gegen die Wölse und andere Raubtiere, denn diese schleppen die 
Leichen bald weg. Neben das Grab werden die Sachen des 
Verstorbenen gelegt, sein Kajak oder Lederboot, seine Bogen, 
Buch holz, Völkerkunde. 5
	        
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