Full text: Für Quarta und Untertertia (Abteilung 2, [Schülerband])

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mit gutem Grunde für weniger vornehm nnd wurde wohl ganz 
weggelassen. Aber er war belustigend für starke Fäuste und den 
Beutesuchenden die beste Zeit, ihr Glück zu machen. Denn jetzt 
galt es nur, Gefangene zu gewinnen. Die Scharen ordneten sich 
dazu aufs neue, die Knappen legten ihren Rittern das Turnier¬ 
schwert ohne Spitze in die Hand, und wieder begann das Durch¬ 
reiten. Aber der Schwertkampf Gepanzerter vom Rosse im Ge¬ 
tümmel war nicht geeignet, besondere Kunst zu zeigen; man suchte 
den Helmschmuck des Gegners und seinen Holzschild in Späne zu 
zerhauen, seinen Kopf durch Schwertschläge zu betäuben, ihm 
durch Ringen vom Roß das Schwert aus der Hand zu winden, 
den Helm vom Haupte zu würgen, endlich den Zaum zu entreißen. 
Es war auch nicht Kampf des einen gegen einen, man suchte in 
Masse zu umdrängen und die Opfer abzuschneiden. Der Waffen¬ 
lose wurde, während er mit Armen und Beinen um sich schlug, 
von dem Sieger am Zaum fortgezogen. Wer so „gezäumt" war 
und gezerrt wurde, der durfte, wie vornehm er sein mochte, von 
dem Sieger und dessen Knappen starke Schläge erhalten. Die 
Knappen führten in den Schranken keine Waffen, wohl aber einen 
Knüttel, und es war ihr besonderes Recht, den Gezäumten mit 
seinem Roß durch Hiebe aus den Schranken und zu dem Stande 
ihres Herrn' zu treiben. Die Freunde des Gezäumten durften 
ihn innerhalb der Schranken, wahrscheinlich nur solange er den 
Helm trug, wieder befreien; wo also nicht schneller Zwang ent¬ 
führte, erhob sich um den Sieger ein neues Getümmel. Und 
dieser Kampf um die Gefangenen ballte große Haufen zusammen 
und schuf das wildeste Drängen, Geschrei und Kampfwut. 
9. War das Ende des Turniers verkündet und durch die 
Spielleute ausgeblaseu, so mußte der Streit sofort aufhören. Dann 
wurde der Dank an die verteilt, welche sich nach Meinung von 
Preisrichtern am besten gehalten; der Ruhm wurde gemessen nach 
der Zahl der Durchritte, der verstochenen Speere und der ge¬ 
worfenen und gefangenen Ritter. Wer aber gefangen war, schlich 
traurig zu den Pfandleihern; denn Roß und Rüstung waren 
seinem Gegner verfallen, und er mußte Schmuck versetzen und 
Bürgen stellen, um die behandeltes Auslösungssumme zu erhalten. 
Zuweilen löste der Veranstalter des Turniers alle Gefangenen 
beider Parteien. Dem Vornehmen geziemte seine Gefangenen 
niedrig zu schätzen; er entließ den armen Landsahrer, der sich 
durch seinen Schild ernährte, wohl ganz ohne Lösegeld oder schenkte 
9 behandeln: hier in dem seltenen Sinne von „unterhandeln", „ver¬ 
einbaren" gebraucht. 
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