Full text: Bilder aus dem Gebirge und Berglande von Schlesien und den Ebenen in Posen von der Oder bis zur Weichsel (Bd. 8)

90 Das Jsergebirge mit seiner Umgegend. 
Im Jahre 1516 wurde er Lehrer an der Görlitzer Schule; Schüler und Lehrer 
lernten von ihm, selbst seinen Rektor unterrichtete er im Griechischen. Luthers 
Auftreten bewog ihn nach Wittenberg zu gehen, wo er fünf Jahre blieb. Dort 
nahm er auch im Hebräischen Unterricht bei einem getauften Juden. Eng und 
innig schloß er sich an Melanchthon an, dem er sein ganzes Leben hindurch seine 
Anhänglichkeit bewahrte. Im Jahre 1523 wurde Helmrich Rektor der Goldberger 
Schule und bewirkte, daß Trotzendorf als Lehrer an seine Schule berufen wurde. 
Als Helmrich im folgenden Jahre ein andres Amt erhielt, wurde Trotzendorf 
an feiner Stelle Rektor; da aber infolge der Reformation die Gemüter sehr in 
Aufregung waren, gedieh die Schule nicht, und Trotzendorf ging im Jahre 1527 
an die in Liegnitz ins Leben zu rufende Universität uud kehrte 1529 nach Witten- 
berg zurück. Auf dringendes Bitten Helmrichs, der inzwischen Bürgermeister 
geworden war, übernahm Trotzendorf im Jahre 1531 zum zweitenmal das Rek- 
torat in Goldberg, dem er von da an 25 Jahre mit Ruhm Vorstand. In dem 
Rosarium, das seine Schüler herausgaben, heißt es von der Goldberger Schule, 
sie habe so viel Schüler gehabt (es waren gegen tausend), daß der Rektor hätte 
aus ihnen ein Heer gegen die Türken bilden können (tantum habuit discipulorum 
numeram, ut justum ex iis exercitum contra Turcos producere posset). 
Seine Schule, die nicht nur von Schlesiern, sondern auch von Jünglingen aus 
Steiermark, Kärnten, Ungarn und Polen besucht wurde, glich, so berichtet der 
Redner Rhavus, einem wohleingerichteten Staate, der durch Gesetze, Unterricht 
und andre schöne Übungen trefflich geordnet ist zu dem Zwecke, daß die Jugend, 
von Kindheit an mit der religiösen Wahrheit getränkt, eine Richtung erhalte zur 
Furcht und Anrufung Gottes, zugleich aber auch die Elemente der Wissenschaften 
und Künste erlerne, welche notwendig sind für die Kirche und menschliche Gesell- 
schaft, und in strengerer Zucht herangebildet sanfte Sitten annehme, sich an die ge- 
meinsame ehrenhafte Pflichterfüllung im öffentlichen und Privatleben gewöhne. 
Trotzendorf richtete feine Schule eigentümlich ein; sie zerfiel in sechs Klassen, 
jede Klasse war in Tribus geteilt. Die Schüler selbst zog er ins Regiment, 
indem er die einen zu Ökonomen, andre zu Ephoreu, noch andre zu Quästoren 
ernannte. Die Ökonomen mußten für die Ordnung im Haufe sorgen, z. B. 
daß alle zu rechter Zeit aufstanden und zu Bett gingen, daß Stuben, Kleider 
u. s. w. in reinlicher Ordnung gehalten wurden. Den Ephoren lag ob, für gute 
Ordnung bei Tische einzustehen. Jede Tribus hatte ihren Qnästor; über alle 
Quästoren war ein Oberqnästor gesetzt. Jene wurden wöchentlich, diese monatlich 
gewählt; sie hielten auch lateinische Reden beim Austritt aus dem Amte. Die 
Quästoren hatten über den fleißigen Besuch der Lektionen zu wachen, die Faulen 
anzuzeigen, Themata zu geben, welche während der halben Stunde nach dem 
Sssen lateinisch besprochen wurden. Außerdem setzte Trotzendorf einen Schüler- 
Magistrat ein. Dieser bestand aus einem monatlich von ihm gewählten Konsul, 
zwölf Senatoren und zwei Zensoren. Hatte ein Schüler etwas begangen, so mußte 
er sich vor diesem Senate verteidigen und kouute sich zur Verteidigung acht 
Tage vorbereiten. Bei der Verhandlung war Trotzendorf als Diktator zugegen. 
Reinigte sich der Angeklagte, fo wurde, er freigesprochen, besonders wenn er 
eine wohlgesetzte Verteidigungsrede hielt; taugte die Rede nichts, so wurde er 
auch bei leichten Vergehen verurteilt. Mit großem Ernste wiederholte Trotzendorf 
den Ausspruch des Senates und hielt streng auf desfen Vollziehung. Diese
	        
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