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was er weiß. Der Rath, bestürzt, aber schnell gefaßt, bewaffnet die treuesten
Bürger, sperrt die Thore und durchwacht die bangen Stunden der Nacht.
Als die Häupter der Verschwörung die Rathsmitglieder durch die
Straßen reiten hörten, glaubten sie anfangs, es feien ihre Mitgenossen;
ein Blick auf die Straße riß sie aus ihrem Jrrthum. „Bei dem kostbaren
Blute Jesu Christi, wir haben zu lange geschlafen," sagte Johann Kalefeld,
als er die Nafhsherren mit ihrem Anhang bewaffnet zu Pferde1 erblickte.
Die Untersuchung der Häuser war schon im vollsten Gange. Beim Drechsler
hörte man Waffengeräusch. Als die Thür aufgebrochen wurde, fand man
Alles zum Angriff bereit. Man bemächtigte sich des Verfchwornen und fuhr
ihn hart an. Er gestand Alles und nannte seine Mitverschworenen. Der
Kürschner, als er den Rath zu so ungewohnter Stunde schon beritten sah,
ergriff die Flucht. Er ward aber ergriffen und mit solcher Gewalt in den
Kerker hinabgeworfen, daß er von dem Falle bald darauf starb. Die Thore
wurden verschlossen gehalten, damit Keiner entkommen könne. Bald fing
man auch die beiden anderen Rädelsführer und legte sie in Fesseln. Viele
von den Mitverschworenen wurden durch die Aussage der Rädelsführer ent¬
deckt, andere verriethen sich selbst.
Die holsteinischen Edelleute, welche vor der Stadt auf die Oeffnung
des Thores warteten, merkten endlich, daß die Sache verrathen sei und
kehrten beschämt zurück. Bauern, welche Holz und Feldfrüchte auf Wagen
zur Stadt führten, erzählten: sie hätten in der Morgendämmerung viele
Edelleute reiten sehen und nicht begreifen können, was diese Alle wollten.
Jetzt begann die Bestrafung der Miffethäter. Der Eine von den
Rädelsführern war schon tobt; die anderen Drei wurden geviertheilt und
aufs Rad gestochten. Die übrigen Teilnehmer wurden theils gerädert, theils
mit dein Schwerte hingerichtet. Immer neue Mitglieder der Verschwörung
wurden entdeckt, und die Blutarbeit wollte gar kein Ende nehmen. Da erließ
der Rath den Befehl: Wer sich noch einiger Schuld an der Verschwörung
bewußt wäre, solle vor Abend die Stadt verlassen. Wen man am andern
Morgen schuldig finde, solle als ein Feind der öffentlichen Wohlfahrt bestraft
werden. Auf diese Verordnung verließen noch Manche die Stadt, von denen
man es nicht erwartet hatte.
Doch war die Stadt dadurch nur gegen die Verrätherei ihrer eignen
Bürger geschützt. Detlef Gudendorp und seine Gesellen suchten sich für das
Mißlingen ihres Anschlages durch Plünderung der lübschen Dörfer und der
reisenden Kaufleute zu entschädigen, und selten glückte es den lübschen
reitenden Dienern, die Räuber zu rechter Zeit zu verjagen. Natürlich waren
diese Handlanger der Gerechtigkeit dem Gudendorp ein Dorn im Auge und
er nahm sich vor, sie für ihren unbequemen Diensteifer zu züchtigen.
In dieser Absicht schickte er einige von seinen Leuten aus nach dem
lübschen Dorfe Kur au und befahl ihnen, den Einwohnern das Vieh weg¬
zutreiben und sich zurückzuziehen, sobald sie verfolgt würden. Der Raub
wurde ausgeführt, aber die Verfolgung ließ lange auf sich warten. Die
Nachricht von dem Ueberfall kam spät nach Lübeck, und die berittene Mann¬
schaft mußte erst aus Mölln geholt werden. Endlich rückten denn aber doch
26 lübsche Reiter aus und folgten der Spur der Räuber. An einem Kreuz¬
wege, an welchem man nicht mit Bestimmtheit erkennen konnte, welchen