Full text: Die vorchristliche Zeit (Bd. 1)

364 
Das macedomsche Reich unter den Antigoniden 
Athen dem geschäftigen Griechenland gegenüber, in eine Thätigkeit zu¬ 
rückgezogen, deren Ergebnisse erst in räumlicher und zeitlicher Ferne 
eine ausgedehnte Benutzung erfahren sollten. Es ist für den Gang 
römischer Staatskunst bezeichnend, daß dasselbe Volk, welches mit den 
räuberischen Aetolern ein Bündniß schließen konnte, die geistig mächtigste 
Stadt Griechenlands in ihrer Abgeschiedenheit aussucht. Wie die stär¬ 
keren Staaten darin ein gegen sich gerichtetes Urtheil finden können, 
deutet es auch an, in welches Verhältniß Nom zu Griechenland, wenn 
es daselbst erst Herr geworden, treten wird. 
13. Am wenigsten war es die einst so mächtig rauschende Quelle 
der Dichtung, aus welcher Athen dem lernbegierigen Rom einen dessen 
Kräfte steigernden Trank hätte bieten können. Wie die Dichtung sich 
in Alexandrien theils in die gelehrte Aufsuchung verschollener Sagen 
verloren, theils zu der Schilderung eines dem Schauplatze der Weltbe¬ 
gebenheiten fern liegenden Natnrlebens geflüchtet hatte, bequemte sie 
sich in Athen zu der Beschäftigung mit dem Nächstliegenden weder von 
staatlichen Bewegungen erreichten noch von hohen Gedanken erregten 
Leben. Die Komödie, die einst in das Getümmel des öffentlichen Lebens 
hinein mit einem durch Kunst veredel-ten Muthwillen gerufen und das 
Volk in seinem Trachten mit einem ihm selbst wohlgefälligen Spotte 
gerichtet hatte, entsagte zwar dem Muthwillen und dem Spotte nicht, 
aber, während ihre Erzeugnisse sonst in den öffentlichen Begebenheiten 
und Verhältnissen ihre Grundlage gehabt, ersann sie jetzt Begebenheiten 
und Verhältnisse nach Art derjenigen, die man sich im Privatleben ent¬ 
wickeln sah und ergötzte die Zuschauer, ohne bestimmte Personen zu 
berühren, durch Gemälde von Thorheiten und Lastern, durch die von 
ihnen herbeigeführten Verlegenheiten und durch die Wirkungen besonde¬ 
rer Eigenschaften des Charakters. Dabei wurde die Darstellung ruhiger 
und mit der Sittenschildernng gewann der feinere Scherz, zu welchem 
die attische Bildung reichliche Mittel lieferte, größeren Raum. Diese 
neue Komödie, in welcher Theophrasts Schüler Menander als der erste 
Meister glänzte, wirkte als Schule für Darstellung und Ausdruck in 
einer Weise, in welcher sie dereinst auch in Nachbildungen den Römern 
ein Mittel der Unterhaltung wurde. War Athen in der Dichtung von 
seiner früheren Höhe herabgestiegen, so hatte es eine andere Kunst, deren 
Uebung einst mit seinem innersten Leben verwachsen gewesen, die Be- 
redtsamkeit, auswandern sehen. Die Verfassung, in welcher die Kunst, 
mehr Hinzureißen, als zu überzeugen, fortwährende Antriebe zu ihrer 
Vervollkommnung erhält, hatte aufgehört und bei der Bedeutungslosig¬ 
keit, in welcher Athen sich befand, fehlte es an großen Zwecken, für 
welche Redner die Kräfte des Volkes in Thätigkeit zu setzen versuchen 
konnten. Ungeachtet Gelegenheit der Anwendung fehlte, war Beredt-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.