Gang und Gliederung der vorchristlichen Geschichte. 23
kosmogonische Mythen schuf, rief das Bewußtsein einer ursprünglichen
Offenbarung Gottes eine Menge von Erzählungen von der Götter al¬
tem Verkehr mit den Menschen und der in diesem Verkehr bewirkten
Gründung der Lebensverhältnisse hervor. Diese unmittelbare Einwir¬
kung der Götter zog sich in den Mythen bei der ursprünglichen Unge¬
trenntheit religiöser und bürgerlicher Verfassung auch bis zu der Ein¬
richtung des Staatswefens herab und machte alte Staatengründer und
Gesetzgeber zu Vertrauten der Götter. Die eigentliche Geschichte d. h.
die geschichtliche Aufzeichnung, in der oft lauge noch vereinzelte Mythen
auftauchen, beginnt bei jedem Volke erst, wenn sein Leben selbst zur Ge¬
schichte wird, indem es sich, angelangt auf der Stufe der Civilisation,
als ein geschloffenes und geordnetes Ganze durch den Gegensatz zu an¬
deren erkennen lernt und eigenen Thaten, in welchen es diesen Gegen¬
satz sich zu vollem Bewußtsein gebracht, zur Lehre für kommende Ge¬
schlechter ein Denkmal setzt, in dem sich nicht bloß, wie in Denkmälern
der Baukunst, die sein Leben beherrschenden Ideen mehr oder minder
verständlich verkörpern, sondern auch die einzelne That mit dem Antheil
Einzelner an ihr sich verewigt. So sind die Völker, wie sie früher oder
später in die Geschichte eintraten, auch hinsichtlich der Erfüllung der
Bedingungen, von denen die Möglichkeit dieses Eintrittes abhängt, ältere
und jüngere Mitglieder der zu einem geschichtlichen Leben berufenen
Menschheit.
III.
Gang und Gliederung der vorchristlichen Geschichte.
1. Sobald die Geschichte eine andere Aufgabe erhält, als aus den
durch früheste Nachrichten bezeugten Zuständen auf Veränderungen, die
nicht berichtet sind, zu schließen, tritt das Bedürfniß ein, ihren Gang
im Allgemeinen zu überschauen und zu dem Zwecke ihre Masse zu
gliedern. Nur so erhält das Einzelne seine Bedeutung, indem es als
eine Reihe von Schritten auf einem bestimmten Weg aufgefaßt wird.
Die Geschichte gliedert sich nun in doppelter Weise, örtlich und zeitlich,
nach den Völkern, welche als geschlossene Ganze ein selbstständiges Leben
entwickeln, und nach den Zeiträumen, deren jeder in den ihm angehörigen
Begebenheiten einen Abschnitt des von der Menschheit zu durchlaufenden
Weges vollendet. Je mehr man die Völker als Glieder des Ganzen
der Menschheit auffaßt, desto mehr wird man geneigt, die Weltgeschichte
nach Zeiträumen zu gliedern und die Schicksale eines jeden als Er¬
füllung eines Theiles von dem der Menschheit zugetheilten Berufe zu