Full text: Die vorchristliche Zeit (Bd. 1)

520 Die Römer in der Zeit der Umwälzungen und der Bürgerkriege. 
saß über die Germanen, die bisher immer nur von ihres Gleichen ge¬ 
richtet worden waren, nach römischer Weise zu Gericht. Dadurch lernte 
man das Joch fühlen, das man sich unvermerkt hatte auflegen lassen. 
Unter solchen Umständen gelang es einem cheruskischen Fürsten Armi- 
nius, der gleich Marbod durch Aufenthalt in Nom höherer Bildung 
theilhaftig geworden war, eine große Verbindung der Cherusker und 
Chatten, sowie aller von diesen Völkern westwärts bis zum Rheine hin 
wohnenden Völker zu Stande zu bringen. Durch näheres Verhältniß 
zu dem römischen Statthalter war er um so mehr in der Lage, Alles 
so zu leiten, daß ein wohlvorbereiteter Schlag die Römer sicher und 
entscheidend treffen mußte. Die Kunde, welche ein der römischen Herr¬ 
schaft befreundeter Cherusker Segestes von dem Vorhaben gab, fand 
bei dem allzu sichern Varus keine Beachtung. Auf Arminius' Wink er¬ 
hob sich ein Ausstand in weiter Entfernung vom Rheine und auf dem 
Zuge, den Varus zu dessen Stillung antrat, wurden die Römer von 
den durch Arminius aufgebotenen und geführten Germanen in dem 
Ouellgebiete der Lippe und Ems in waldiger Gegend mit drei Legionen 
vertilgt. Hieran knüpfte sich sofort die völlige Vernichtung der römischen 
Herrschaft auf der Ostseite des Rheines, und ein Wendepunkt in den 
Geschicken des römischen Reiches war erreicht. 
36. Für die inneren Verhältnisse des römischen Reiches war von 
der größten Wichtigkeit die Frage, wer Augustus' Nachfolger sein solle. 
Obgleich seine Herrschaft sich mit Benutzung alter Formen befestigt 
hatte, war doch Alles so entschieden monarchisch geworden, daß die Be¬ 
stimmung über die Nachfolge nur von dem Herrscher selbst erwartet 
werden konnte und die Wahl aus dessen Familie sich von selbst zu ver¬ 
stehen schien. Augustus hatte nun aus seiner zweiten Ehe mit Scribo- 
nia eine Tochter Julia. Diese war vermählt mit Marcellus, dem Sohne 
von Augustus' Schwester Octavia aus einer früheren Ehe. In Mar¬ 
cellus glaubte man, sowohl wegen der Vorzüglichkeit seiner Eigenschaf¬ 
ten, als wegen der Liebe, die Augustus für ihn zeigte, den künftigen Be¬ 
herrscher des Reiches zu erblicken. Diese Hoffnung wurde aber im 
Jahre 23 vor Chr. Geb. durch dessen frühzeitigen Tod vereitelt. Wie 
groß die mit ihm zu Grabe gegangenen Hoffnungen gewesen waren, 
hat Virgil in seinem epischen Gedichte gesagt mit den Worten, die 
Götter hätten dem römischen Staate in Marcellus ein Glück, das für 
ihn zu groß gewesen sein würde, nur gezeigt. Die Liebe, die Augustus 
für ihn gehegt, schien auf zwei Söhne, Casus und Lucius, überzugehen, 
die aus Julia's neuer Ehe mit Agrippa entsprossen waren. Beide wur¬ 
den von Senat und Volk mit dem Titel von Fürsten der Jugend ge¬ 
ehrt. Die Gunst, in der sie standen, entfernte den Tiberius nach Drusus' 
Tode, obgleich er nach Agrippa's Tode im Jahre 12 vor Chr. Geb.
	        
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