Full text: Die vorchristliche Zeit (Bd. 1)

Die Babylonier und die Assyrier. 
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Laufe seiner Geschichte kenntlich bleibt, verwischen zu können. Die ge¬ 
ringe Festigkeit, welche der Herrschaft solcher in geordnete Staaten ein- 
gedrungenen Nomaden eigen zu sein pflegt, mag den Uebergang des 
Landes unter die Herrschaft desjenigen Volkes erleichtert haben, dessen 
Könige Berosus die sechste Dynastie Babyloniens nennt, der Assyrier, 
mit deren Geschichte die der Chaldäer sich jetzt verflicht. 
2. Nach der heiligen Schrift ist der assyrische Staat durch eine 
von Babylonien aus gegründete Ansiedelung an der Ostseite des oberen 
Tigris entstanden, der auch die große Königsstadt Ninive, oberhalb der 
Mündung des großen Zab an der Ostseite des Tigris gelegen, ihren 
Ursprung verdankt. Dieser Staat, dessen Bevölkerung man sich als aus 
semitischen und iranischen Bestandtheilen erwachsen denken muß, ist durch 
Eroberungen zu einer ausgebreiteten Herrschaft in den an einander 
grenzenden iranischen und semitischen Theilen von Asien gelangt und die 
Lage der Stadt Ninive entspricht recht deutlich dem Bedürfnisse einer nach 
diesen beiden Seiten hin zu behauptenden Herrschaft. Das am Orus 
und am Jarartes gelegene Baktrien, Theile des Hochlandes von Iran, 
die Ebenen des Euphrat und des Tigris haben Bestandtheile desselben aus¬ 
gemacht und manchen Spuren zufolge hat sich sein Einfluß bis tief nach 
Kleinasien hinein verbreitet, ehe die Völker an den Küsten des Mittelmeeres 
von ihm berührt wurden. An die Spitze desselben stellen griechische 
Nachrichten Ninus und seine Frau und Nachfolgerin Semiramis, und 
berichten von dem ersteren Kämpfe in Baktrien, Armenien und Medien, 
von der letzteren große, wahrscheinlich sagenhaft so weit ausgedehnte 
Eroberungszüge nach Indien, Aethiopien und Libyen. Beide gehören 
zu den mythischen Wesen, unter welchen ursprünglich vergötterte Natur- 
kräste verstanden waren, auf welche aber im Laufe der Zeit die Sage 
die Thaten des ihnen dienenden Volkes übertrug, bis sie sich in mensch¬ 
liche Herrscher umdeuteten. Die Königin Semiramis, gleich andern 
Gebilden heidnischen Götterglaubenö Sittenlosigkeit und Grausamkeit 
mit Thatkraft und Heldenthum vereinend, deutet als Tochter der syri¬ 
schen Göttin Derketo, die, wie die Tochter die Tauben, so ihrerseits den 
Fisch zum Sinnbilde hat, auf einen weit durch das vordere Asien ver¬ 
breiteten Götzendienst und vielleicht läßt sich die Sage von ihrem durch 
ihren aufrührerischen Sohn Ninyas veranlaßten Verschwinden als my¬ 
thische Erinnerung einer Umwälzung ansehen, durch welche eine mit 
jenem Götzendienste zusammenhängende priesterliche Regierung einer auf 
Kriegsmacht beruhenden Herrschaft weichen mußte. Eine Reihe von 
dreißig Königen, sämmtlich von Ninyas abstammend und nach der Mutter 
der Semiramis die Derketaden genannt, folgte, gleich Ninyas weibisch, 
weichlich, in Unthätigkeit und Sittenlosigkeit versunken. Der letzte von 
ihnen ist Sardanapal, der einem Aufstande der empörten Meder und
	        
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