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Die jüngsten Revolutionsstürme. 
Die jüngsten NevolutLonsstnrme. 
I. Die Vorboten. 
1. Italien. 
tz. 841. Italien. Im Juni 1846 starb Papst GregorXVI., ein Mann 
von einfacher, strenger Sitte, aber ein Feind der neuen politischen und religiösen 
Bildung und ohne Sorgfalt für die Wohlfahrt seines Staats und das Glück der 
geb^i79L'Volker. Ihm folgte in rüstigem Mannesalter Mastai Ferretti als Pius IX., 
'ein Mann des Fortschritts, der „durch den Enthusiasmus des römischen Volks 
einerseits, durch den Gegensatz, der sich wider ihn erhob, anderseits, zum Gefühle 
einer göttlichen Bestimmung als Reformator und Retter des Kirchenstaats erhoben 
ward." Seine Milde und Leutseligkeit gewannen ihm die Herzen des Volks; seine 
raschen Reformen erweckten kühne Hoffnungen. „Er begann die Ersparnisse am 
eignen Haushalte, gestattete der Presse eine freiere Bewegung, verstärkte die Vor¬ 
gefundenen Commissionen für Gesetzbücher und Gerichtsverfahren mit Männern 
des öffentlichen Vertrauens, genehmigte den Bau von Eisenbahnen, öffnete den 
Laien die Bahn zu höhern Staatsämtern, beschloß eine Besteuerung der Klöster 
des Kirchenstaats, berief aus den Provinzen erwählte Notablen zu seinem Staats- 
rathe, gab der Stadt Rom eine freisinnige Municipalverfassung und traf Ein¬ 
leitung zu einem italienischen Staatenbunde." Zur Bewältigung einer offen und 
geheim gegen diesen „verzehrenden Keim und Chef des jungen Italiens" auftreten¬ 
den und von den bedrohten Fürsten der italienischen Halbinsel genährten Opposi¬ 
tion schuf er eine neue Bürgerwehr. So stellte sich Pius IX. an die Spitze der 
■ Nationalbewegung und machte das Papstthum wieder zum „politischen Mittel¬ 
punkt Italiens." Eine mächtige Aufregung gab sich alsbald in dem ganzen von 
der Natur so gesegneten, von Militärdespotismus und Psaffenthum so gedrückten 
und mißhandelten Lande kund. Pio nono! war der laute Ruf des Tages, die 
Losung der Liberalen, die Hoffnung der Patrioten; ein Evviva auf den Papst 
galt in Neapel, in Modena, in der Lombardei für revolutionär. Im Königreiche 
Neapel und Sicilien, wo fremde Miethtruppen, ein verweichlichter Hof und 
eine reiche Beamtenaristokratie vom Marke des Landes zehren, wo ein zahlreicher 
Klerus und eine trage, ignorante Klostergeistlichkeit im Besitz unermeßlicher Gü¬ 
ter und Reichthümer ist und das Volk in Unwissenheit und Aberglauben erhalt, 
wo die Polizei und ein zur Parade dienendes Heer die Provinzen nicht gegen 
Raubgesindel und Banditen zu schützen vermag, da wurde der Ruf nach Refor¬ 
men und einem freien Staatswesen immer lauter und drohender, besonders seit¬ 
dem die gedrückte, verarmte Insel S i ci li en, wo eine aus den verschiedensten 
Volksstammen gemischte heißblütige Bevölkerung unter den Trümmern antiker 
Herrlichkeit die Lust der Freiheit einathmet, die Kette zerriß, die sie mit Neapel 
zusammengefesselt und im Vertrauen auf englische Hülfe die Fahne der Unabhän¬ 
gigkeit aufpflanzte. Als Sicilien mit einem Muth, mit einer Todesverachtung 
und mit einer Ausdauer, wie sie Niemand von dem so lange geknechteten Volke 
lanuar ern)imet ^"e, sich von Neapel frei machte und lieber seine reichste Handelsstadt 
1848. Messina von der unüberwindlichen Eitadelle aus bombardiren ließ, als mit Nea¬
	        
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