Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der neuern und neuesten Geschichte] (Theil 4)

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len verlor und sogar aus Genf fliehen mußte. Jetzt ging er nach 
Straßburg, wo er ebenfalls eine Anstellung als Professor und 
Prediger erhielt; aber schon im Jahre 1541 wurde er wieder nach 
Genf zurückberufen. Diese Stadt war von jetzt an sein bleiben¬ 
der Wohnsitz Durch seine Wirksamkeit erwarb er sich großes An¬ 
sehen, und sein Einfluß reichte über einen bedeutenden Theil Euro¬ 
pas hinaus. Er setzte ein Consistorium ein, das aus 6 Geistli¬ 
chen und 12 Aeltesten bestand. In der Abendmahlslehre suchte er 
Luther's und Zwingli's Ansichten zu vermitteln. Sein Tempera¬ 
ment scheint ihn auf die harte Lehre von der Gnaden Wahl ge¬ 
leitet zu haben, nach welcher Gott einige Menschen von Ewigkeit 
her zur Seligkeit, andere zur Verdammniß bestimmt habe. 
Die größte Merkwürdigkeit bietet uns die von Calvin gestif¬ 
tete Kirche durch ihr Verhältniß zum Staate. Er stellte nämlich 
den Grundsatz auf, daß die Kirche, wie sie sich in kein weltli¬ 
ches Regiment zu mischen habe, so auch von der Staatsgewalt 
völlig unabhängig sein müsie. Luther und Zwingli hatten das 
Kirchenregiment der weltlichen Obrigkeit überlassen, und nach ihren 
Verhältnissen wohl überlassen müssen. Aber auch Luther hielt dieß 
nicht für das natürliche Verhältniß, und nannte die Fürsten in 
dieser Beziehung nur „Nothbischöse^. 
In allen Ländern, in welchen die reformirte Kirche sich unab¬ 
hängig von der Staatsgewalt erhalten hat, herrscht fast beständig 
tiefe Religiosität, warmer Glaube und ein reiner Wandel, während 
in den andern reformirten Ländern, namentlich seit dem 30jährigen 
Kriege, eine tobte Erstarrung alles kirchlichen Lebens, später leicht¬ 
sinniger Unglaube eingerissen sind. 
Calvin wirkte unermüdet, sowohl als Lehrer der Universität, 
wie als Prediger seiner Gemeine. Zahlreich waren die Arbeiten, 
welche er drucken ließ. *) Endlich erlag seine schwächliche Gesund¬ 
heit den übermäßigen Anstrengungen. Noch wenige Tage vor sei¬ 
nem Hinscheiden versammelte er den Rath und die Geistlichkeit 
Genfs vor seinem Bette, und ermahnte sie, wie ein sterbender Va¬ 
ter, in den Wegen des Herrn treulich und einträchtig zu wandeln. 
*)Jn 44 Bänden z. B. fanden sich 2000 Predigten.
	        
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