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rcgistrirt wurden. Denn zu der immer ausschweifender werden¬ 
den Verschwendung des Hofes, neben welcher auch noch so uner¬ 
hörte Zinsen für die Staatsschuld und so viele andere Bedürf¬ 
nisse bestritten werden mußten, gehörten schreckliche Auflagen. 
Der Finanzminister, Abbe Tcrray, war der Mann, der ohne 
alle menschliche Regung immer neue Steuern hervorzupressen 
wußte, Nach einem seiner Edicte stellten ihm die Deputirtcn der 
Geistlichkeit, für welche cs besonders drückend war, die offenbare 
Ungerechtigkeit desselben vor. „Aber wer sagt denn, — erwi¬ 
derte er, ohne seine Miene zu verändern — daß das Edict gerecht 
scyn soll? Wozu wäre ich denn da?" — „Das heißt ja aber 
den Leuten die Taschen ausraumen!" rief einer der Deputirtcn 
erhitzt. — „Wo soll ich's sonst hernchmcn?" fuhr Terray mit 
seiner vorigen Gelassenheit fort*). Man rechnet, daß unter Lud¬ 
wigs XV. Regierung allein mehr neue Auflagen gemacht worden 
seyen, als unter allen vorigen Königen zusammcngenommen **). 
*) Wenn man ihm rieth, die Unzufriedenen und Klagenden einsteckcn zu 
lassen, so war er allemal dagegen und sagte: „Wenn man die Leute 
schindet, so muß man sie auch schreien lassen." 
**) Die Pariser suchten sich durch Satvren und Carricaturcn eine Herzens- 
ecleichterung zu verschaffen. Da der Canzler Maupcau cs war, von 
dem die neue Verfassung ausgegangen war , so richtete der Witz gegen ihn 
vorzüglich seine Pfeile. Unter andern: verbreitete ein Satyrcnschreiber 
Folgendes: „Es halt sich jetzt in Frankreich ein Chamäleon aus, mit 
Tatar und Perrücke ; es verändert seine Farbe sehr oft, und wird 
bald schwarz, bald weiß, bald blutroth oder gelb. Es soll die Fliegen 
nicht fressen, sondern ihnen bloß das Blut aussangcn und viel grau- 
samer seyn, als daS eigentliche Chamäleon. Es klammert sich mit 
dem Schwänze an alle Zweige, wie ein bekanntes Thier, und hat 
etwas von der Natur des Tigers, des Affen und des Baren; es ist 
grausam, gewandt und rachgierig und so hartnäckig, daß es nichts 
unternimmt, was es nicht ausführt. Seine Mähne ist lockig, wie 
die des Löwen ; seine Schnelligkeit wie die des Krokodils. Das schwarze 
und freche Auge dieses Thiers sprühet Muth und Grausamkeit. Man 
nennt es einen Maupeau." — Auch erschien zu der Zeit, da das 
Elend des Volks den höchsten Grad erreicht hatte, folgende Parodie 
des Vaterunsers: „Unser Vater, der du bist in Versailles, dein Name 
sey gepriesen. Dein Reichs ist erschüttert. Dein Wille geschieht weder 
auf Erden, noch im Himmel. Gieb uns unser tägliches Brod zurück, 
das man uns genommen hat. Verzeihe den Parlamenten, daß sie 
dir treu gedient haben, sowie du den Ministern verzeihst, die sie ver-
	        
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