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Es lebe die Constitution von 1812!" Mit diesem Geschrei um- 
ringten Volkshaufen das Schloß und zwangen einige Mönche, 
die ihnen aufstießen, mit in den Iubelruf einzustimmen. Die 
Ofsiciere von der Garde verfügten sich gegen Abend nach dem 
Constitutionsplatze, um dort die auf Befehl der Cortes im Jahre 
1812 aufgerichtete Marmortafel, worauf die Constitution einge- 
graben, und die von den Königlichen umgestürzt war, wieder auf- 
zurichten; sie fanden aber dort unter Don Carlos eigenem Com- 
mando ein Truppencorps aufgestellt und zogen sich, um Blutver- 
gießen zu vermeiden, zurück. — So verging die Nacht unter 
stürmischen Berathschlagungen im königlichen Palaste. Noch immer 
Vieth Don Carlos nichts zuzugestehen, vielmehr Muth und Ent- 
schlossenheit zu zeigen. Eindringlicher aber rieth Franzesco und 
sogar der Bischof von Madrid zum Gegentheile. Endlich erschien 
der General Balasteros, den man durch einen Eilboten aus sei- 
ner Verbannung zu Valladolid nach Madrid berufen, um das 
Commando der bewaffneten Macht zu übernehmen, weil er die 
Zuneigung des Heeres, sowie des Volkes in hohem Grade besaß. 
Dieser erkannte indeß bald den wahren Stand der Dinge und 
äußerte bestimmt, nur schnelles Nachgeben könne den Thron retten. 
Nun war längeres Widerstreben nicht mehr möglich. Es erschien 
also am andern Morgen folgendes Publicandum: „Zur Vermei- 
dung etwaiger Verzögerungen, welche meinen Staatsrath in 
Ausübung deö gestern gegebenen Decrets, die schleunige Zusammen- 
berufung der Cortes betreffend, behindern könnten, und um dem 
allgemein ausgesprochenen Wunsche des Volkes entgegenzukommen, 
habe ich mich entschlossen, die von den allgemeinen und außerordentli- 
chen Cortes im Jahre 1812 gegebene Verfassung zu beschwören. Ge- 
geben im Palast den 7. Marz 1820. Ich, der König." 
Jetzt zweifelte man nicht mehr an der Aufrichtigkeit des kö- 
niglichen Wortes. Die Freude des Volks ging in Enthusiasmus 
über; der Ausruf: „es lebe der König! es lebe die Constitution!" 
erfüllte aus tausend Kehlen die Straßen. Soldaten, Bürger, alle 
Stande strömten in ungestümer Freude nach dem Schloßplatze, und 
so oft der König auf dem Balcon erschien, tönte ihm ein tausend- 
stimmiges Lebehoch entgegen. Im Taumel der Freude stürzte das 
Volk in die Kerker der Inquisition und löste die Ketten der Ge- 
fangenen, wobei rührende Scenen unvermutheten Wiederfindens 
stattfanden. Hunderte von Schlachtopfern gingen aus den Mord¬
	        
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