Fünftes Buch
Das Christenthum unter den heidnischen Germanen und
Slaven; der Islam breitet sich in Asien und Afrika
ans und bedroht das christliche Europa.
Der Sturm der Völkerwanderung tobte allmälig aus; die meisten Volks¬
stämme hatten sich ihre Wohnsitze erstritten und nur die letzten Stöße der ge¬
waltigen Erschütterung erfolgen in dieser Periode. Wie das Meer nach dein
Sturme sich nicht sogleich legt, sondern die Wogen noch lange fortbrausen und
branden, so waren die Völker nach dem großen Völkersturme. In den unauf¬
hörlichen, über zwei Jahrhunderte dauernden Kriegs- und Eroberungszügen
waren die deutschen Stämme furchtbar verwildert. Im Kriegslager wurde der
deutsche Knabe geboren, Schlachtgesänge umbrüllten seine Wiegen der Jüng¬
ling sah brennende Städte, ermordete und fortgeschleppte Menschen, und als
Mann ging er selbst den Weg des Kriegers, den Raub, Blut und Flamme
bezeichneten — dürfen wir uns wundern, wenn nun die seßhaften Stämme die
Ruhe fast nicht ertragen können, an Krieg und Beute denken und die Waffen
gegen einander kehren? Noch lange beseelt sie tolle Kampflust, ja eine fast
wahnsinnige Zerstörungslust, die als Nachhall in den Heldenliedern wehen,
die auf uns gekommen sind.
Neben dem deutschen Eroberer wohnt fast überall ein Rest der alten
römischen Bevölkerung. Wenn diese Römer, so nannten sie die Deutschen,
den neuen Herren nicht dienstbar gemacht sind, so gelten sie wenigstens nicht
als dem eingewanderten Kriegsmann ebenbürtig und leben nach eigenen Ge¬
setzen. Aber diese verachteten Römer waren mehr gebildet als ihre Sieger: