Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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schon bei dem Erscheinen der pseudoisidorischcn Decretalen Versuche gemacht, 
bei Papstwahlen die Einholung der kaiserlichen Genehmigung ganz zu 
unterlassen und die frechsten Eingriffe in die weltlichen Rechte des Staats¬ 
oberhauptes sich zu erlauben. Allerdings wurde ein solches Verfahren vom 
Kaiser sehr ernstlich gerügt, auch gaben dann die Päpste, besonders wenn 
sie eine Gefahr für sich zu fürchten hatten, sehr bestimmte Versicherungen 
ihres Unterthanengehorsames, allein immer wiederholten sie doch, wenn es 
die Verhältnisse irgend zuließen, das frühere Verfahren und wir haben ge¬ 
sehen, wie Gregor VII. in gleicher Weise handelte und sein Verhalten 
bei der Stuhlbesteigung zu entschuldigen wußte. 
Was die weltliche Macht der Prälaten betrifft, so steigerte sich diese 
hauptsächlich dadurch, daß sich dieselben immer mehr Regalien erwarben und 
wiederum unterstützte sie hierbei das Verhältniß der Könige als Lehnsherren 
zu den Lehnsträgern. Dieß Verhältniß veranlaßte, daß endlich seit der Zeit 
Otto's I. ganze Grafschaften als Reichslehen den Prälaten übergeben wur¬ 
den. Diese mußten von dem Lehnsherren investirt werden und alle Va¬ 
sallenpflichten erfüllen, aber dadurch zogen sie sich auch den Neid der 
weltlichen Großen zu und bald strebten sie darnach, sich der übernommenen 
Vasallenpflichten zu entziehen, ja die Hierarchie schritt endlich in Gregor VII. 
dazu, das Jnvestiturrecht der Krone gänzlich zu versagen. Wie die Könige, 
so übten auch die kleineren Fürsten das Jnvestiturrecht aus, ja in Frank¬ 
reich und Italien war es selbst Sitte geworden, mit den geistlichen Stellen 
ganz eigentlich Handel zu treiben. Solcher Unfug wurde von den deutschen 
Königen im Ganzen genommen selten gut geheißen oder geübt, schamlos 
aber von den Vormündern des minderjährigen Heinrich IV. getrieben. 
In Frankreich dagegen verloren die Prälaten unter den Capetingern 
meistens die erlangten Regalien wieder und hier konnte namentlich der 
pseudoisidorische Grundsatz von der Unterordnung der Krone unter den Krumm¬ 
stab nicht so zur Ausübung gelangen, wie in Deutschland. Um aber die 
Prälaten desto sicherer und fester an den Stuhl zu Rom zu knüpfen, 
kam die Ansicht immer mehr zur Geltung, daß die bischöfliche Gewalt von 
dem Empfange des Palliums abhängig sei und seit Nicolaus I. wurde es 
gewöhnlich nur unter der Bedingung ertheilt, daß der Bischof, welcher es 
empfing, dem Papste strengen Gehorsam schwören mußte. Dadurch errang 
die Papstmacht einen neuen Sieg, denn noch mochten es die Bischöfe 
nicht dulden, wenn der Papst als ihr Richter auftrat, oder in ihre kirch¬ 
lichen Verhältnisse eingreifen wollte; sie hielten sich nur für schuldig, den 
Kirchenversammlungen Rede und Verantwortung zu stehen. Der Empfang 
des Palliums wurde allmälig als eine Ehrensache angesehen und beim 
Papste nachgesucht, dadurch unterwarfen sich die Bischöfe von selbst dem 
Willen und der Macht des römischen Stuhles; diese mußten um so höher 
steigen, je mehr auch die Rohheit der Zeit förderlich dazu mitwirkte, denn 
es verbreitete sich der Glaube, daß von Nom der kräftigste Segen und die
	        
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