Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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kräftigste Sündenvergebung, aber auch der wirksamste' Fluch käme, und 
daß der Papst als der höchste Priester der Kirche im Namen Gottes da 
einschreiten könne, wo eine menschliche Autorität nicht zureichend sei. Merk¬ 
würdig aber ist es, daß der Papst gerade in Italien selbst unter den vor¬ 
nehmsten Bischöfen den größten Widerstand zur Anerkennung seiner obersten 
Würde fand, ja die Kirche von Mailand mußte zu dieser Anerkennung 
sogar gezwungen werden (1059), und der Widerspruch dauerte hier offen 
und geheim lange Zeit fort. 
Der gesammte Clerus vom niedrigsten Klosterbruder bis zum Papste 
überließ sich bei dem gesteigerten Ansehen und Einflüsse, den er auf die 
öffentlichen und häuslichen Verhältnisse gewann, ungescheut allen Lastern, 
ja er wetteiferte mit dem vornehmsten Laienstande, den Rittern, Grafen 
und anderen weltlichen Vasallen in der Sittenlosigkeit und Rohheit. Es 
gab allerdings in den verschiedenen Graden des Clerus auch Männer, 
welche hiervon eine Ausnahme machten, aber ihre Zahl und ihr Einfluß 
war so unbedeutend, daß Beides in Beziehung auf die große Menge gänz¬ 
lich verschwindet. Das Leben der Cleriker, der niederen wie der höheren 
Prälaten und der meisten Päpste jener Zeit gefiel sich in wilder Streit- 
und Rauflust, verging in zügellosen Gelagen und gemeinen Ausschwei¬ 
fungen. Die gröbsten Sittenlosigkeiten wurden vornehmlich in den Klöstern 
verübt, die häufig an Laien als reiche Pfründen vergeben wurden. Die 
Aebte und andere Aufseher der Klöster gingen mit dem schlechtesten Bei¬ 
spiele voran, — was Wunder, daß Mönche und Nonnen dem lüderlichsten 
Leben sich Hingaben. Sie konnten dieß um so leichter ungestraft thun, da 
sie sich der ordentlichen Aufsicht immer mehr entzogen, besonders wenn 
einmal ein Bischof auf Ordnung und Sitte sah; dann kamen sie unter 
die unmittelbare Gerichtsbarkeit des Papstes, der theils zu entfernt von 
den Klöstern lebte, theils wenig Lust und Zeit hatte, sich weiter um die 
Klöster zu bekümmern. Zm 10. Jahrhunderte erhoben sich indeß einige 
Klosterreformatoren, namentlich in Frankreich, wo sich die Benedictiner 
Berno, Odo und Odilo um die Wiederherstellung der Zucht, um die 
Verbesserung ihres Ordens verdient machten und die Vereinigung vieler 
Klöster unter dem Abte von Clugny, als gemeinsamem Oberhaupte, bewirkten. 
Im Anfange des II. Jahrhunderts traten auch in Italien solche Reforma¬ 
toren in den Mönchen Romuald us und Johannes Gu albert auf, 
von denen jener den Einsiedlerorden der Camaldulenser, dieser aber den 
von Vallombrosa stiftete. In Deutschland war das ungebundene und un¬ 
ordentliche Leben unter Mönchen und Nonnen so eingerissen, daß sie sich 
lange mit der größten Hartnäckigkeit jeder Reformation entzogen. Daß sie 
es konnten und durften, davon lag die Ursache hauptsächlich in dem Reich- 
thume, den sie besaßen, der ihnen zugleich Einfluß und Macht genug ver¬ 
lieh, jeder unbeliebigen Maßregel mit Erfolge widerstehen zu können. Erst 
gegen das Ende unserer Periode folgte man in Deutschland zum Theil
	        
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