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Prinzen Grifo. Die zwey ältern Brüder der er¬
sten Ehe bemächtigten sich, wie eben vorkam, nach
dem Hintritte ihres Vaters, der Oberherrschaft in
Neuftrien und Austrasien, und schlossen ihren Stief¬
bruder, den jungen Grifo, davon aus. Dieß
gieng der Srmehilde durch das Herz; und da sie
eine unternehmende Frau war, so bewarb sie sich
heimlich um die Freundschaft benachbarter Fürsten,
denen die Vorschritte der Großhofmeister ohnehin
verdächtig und verhaßt waren, und zu gleicher Zeit
um einen Anhang selbst in den fränkischen Ländern.
Sobald sie das Versprechen ihres Beystandes erhal¬
ten hatte, führte sie eine andere List aus, bey der
sie sich die Hoffnung machte, daß zwischen ihren
fränkischen Stiefsdhnen und den Baiern ein Krieg
entstehen würde, während welchem die übrigen
Fürsten, und ihre Freunde in Frankreich, sich verei¬
nigen, und ihrem Sohne Grifo zu einem Lande
verhelfen sollten. Sie hatte das Vertrauen der jun¬
gen Hiltrüde so sehr gewonnen, daß sich dieselbe
ihrer Führung ganz überließ. Hiltrüde mißbilligte
das Verfahren ihrer Brüder mit ihrem Halbbruder
Grifo ebenfalls von ganzem Herzen, und war so
eifrig, wie selbst Srmehilde, demselben beyzustehen.
Wie sie nun vollends mit dieser Denkungsart er¬
füllt war, erdfnete ihr die Srmehilde eines Tages
ihren ganzen Plan. Sie versicherte die junge Prin-
zeßinu, daß es allein von ihr abhänge, der Sache
eine andere Gestalt zu geben, und beschwor sie
bey ihrer zärtlichen Freundschaft, ihr eine Bitte,
auf deren Erfüllung alles ankäme, nicht zu versa¬
gen. Diese Bitte war, daß -Hiltrude heimlich nach
Regensburg abreisen, und um die Neigung des
jungen Herzogs <l)dilo werben sollte. Hiltrüde
war