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res 1099 versuchte es von Neuem den Sturm. Ein Hagel von 
Steinen und Wurfspießen empfängt die Angreifenden. Ueber 
Leichenhügel hinweg schreiten sie voll Todesverachtung; die Kriegs¬ 
maschinen nähern sich den Mauern der Stadt; schon jubelt das 
christliche Heer: — da bricht die Nacht herein und macht dem 
Kampf ein Ende. Kaum dämmert der Morgen, so beginnt die 
blutige Arbeit wieder. Mit Erbitterung vertheidigen sich die Tür¬ 
ken. Töpfe mit brennendem Pech und Schwefel, Steine, Balken, 
selbst Leichname werden auf die Köpfe der Belagerer hinabge¬ 
schleudert. Sie weichen. Ein Jubelrus der Türken erschallt. Da 
zeigt Gottfried von Bouillon nach dem Oelberg hin. Eine Rit¬ 
tergestalt erscheint dort in weißer Rüstung und schwingt den hell¬ 
strahlenden Schild. „Seht da," so ruft er, „einen Cherub mit 
flammendem Schwerte, den Gott zum Mitstreiter uns sendet!" — 
„Gott will es! Gott will es!" — antwortet die Schaar der 
Christen, und mit wildem Ungestüm dringt sie vorwärts. Gottfried 
erklimmt zuerst die Mauer; die Seinen folgen; Schaar drängt sich 
auf Schaar, — und Jerusalem ist erobert. 
Ein schreckliches Morden beginnt. Männer und Weiber, 
Greise und Kinder tobtet erbarmungslos das Schwert der Chri¬ 
sten. Von Gasse zu Gasse wälzt sich der Mord. In den weiten 
und festen Mauern des Tempels haben Tausende Rettung gesucht; 
aber der Tempel wird erstürmt, und die Unglücklichen werden 
erschlagen. Das Blut fließt in Strömen; 10,000 Feinde sind 
getödtet; aber noch ist das Morden nicht zu Ende. 
Nur Gottfried hält sich fern von diesem Würgen. Barfuß, 
ohne Helm und Panzer, eilt er in die Kirche zum heiligen Grabe, 
um dem Herrn für den errungenen Sieg zu danken. 
Nach dreien Tagen endlich endet Mord und Plünderung. 
Nun werden die Straßen gereinigt; die Sieger waschen das Blut 
von ihren Händen, und in weiße Gewänder gehüllt, wandeln sie 
in feierlichem Zuge nach dem heiligen Grabe. Die Geistlichkeit 
kommt ihnen entgegen mit hocherhobenen Kreuzen und mit from¬ 
men Gesängen, und voll Andacht sinkt die siegreiche Schaar in 
den Staub. 
25. Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa. 
In der Mitte des schwäbischen Landes, fast gleich weit vom Rhein, vom 
Lech und vom Bodensee entfernt, erhebt sich der hohe Staufen, ein kegelförmi¬ 
ger Berg. Hier stand einst die Stammburg eines berühmten deutschen Kaiser¬ 
hauses, das den Namen „die Hohenstaufen" führt. Jetzt sind die Trümmer der 
alten Heldenburg mit Gras und Disteln überwachsen. Im Bauernkriege (1525) 
wurde von der Burg verbrannt, was verbrennlich war. Nach und nach sind 
auch die Ringmauern, die festen Thürme und die Thore niedergerissen und ver¬ 
fallen. Die ältesten, mit Moos überzogenen Eichen des großen Waldes, der
	        
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