Full text: Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit

122 
Bonifacius. 
Seite derselben gebe es auch Menschen. Heut zweifelt Niemand daran 
und das Vorhandensein von Gegenfüßlern ist vor allem Widerspruch 
gesichert; in alter Zeit hielt man aber die Erde für einen großen Kreis oder 
eine Scheibe, die auf dem Wasser schwimme, darum kommt auch in 
der Bibel das Wort „Erdkugel" niemals vor, vom Erdboden oder dem 
Kreise der Erde ist dagegen sehr oft die Rede. Bonifacius fürchtete 
von jener neueren Weltansicht Gefahr für den Glauben und frug 
wiederum den Papst, was man denn mit dem Priester machen solle, 
der da behaupte, daß es Gegenfüßler gebe? — Was antwortete der 
Papst? Er hätte sagen können: Mag sich der Mann die Erde rund 
oder viereckig denken; dies geht den Glauben und seine Seligkeit nichts 
an. Aber nein! der Papst war wirklich, wie Bonifacius, in dem Jrr- 
thume befangen, daß diese Lehre den Glauben gefährde und schrieb zu¬ 
rück: „Wenn es erwiesen sei, daß jener Priester solches gesagt habe und 
bei seinem Jrrthum beharre, so müsse man ihn vor eine Versammlung 
berufen, ihn aus der Kirche stoßen und seines priesterlichen Schmuckes 
entkleiden." Daß man damals in Kenntniß der Geographie und Physik 
noch so weit zurück war, gereicht jener Zeit nicht zum Vorwurf; 
aber Das ist bedauernswerth, daß die Lehrer der Kirche den Fortschritten 
in den Wissenschaften solche Hindernisse in den Weg legten und den 
Menschen wehren wollten, über die Dinge in der Natur zu denken oder 
ihre gewonnene Ueberzeugung frei auszusprechen. 
Die Verdienste, welche sich Bonifacius um die Deutschen und um 
den römischen Stuhl erworben hatte, wußte der Papst zu schätzen. Er 
ernannte ihn zum Erzbischof von Mainz. Bis in sein hohes Alter 
blieb Bonifacius für sein Bekehrungsgeschäft thätig. Als Greis machte 
er nochmals einen Versuch, das Volk, bei welchem er das Apostel- 
Amt begonnen hatte, die Friesen, zum Christenthume zu bringen, was 
ihm früher nicht gelungen war. Mit siebzig Begleitern begab er sich 
zu ihnen. Ihn schreckten weder die Beschwerden der Reise, noch fürch¬ 
tete er die Wildheit der Heiden, die ihm die äußerste Gefahr bereitete, 
und am endlichen Gelingen seines Werkes zweifelte er nicht. Er zog 
im Lande umher, predigte, taufte, zerstörte die Götzenbilder, gründete Kir¬ 
chen und sah im Geiste schon, wie so lieblich das Christenthum hier gedeihen 
würde. Aber diese Fortschritte der fremden, sanften Religion entzün¬ 
deten in den rohen Gemüthern verderblichen Haß gegen den Götzen¬ 
feind. Eines Tages nahete ein Schwarm der Heiden; bewaffnet kamen 
sie auf ihn und die Seinen zu; ihre Absicht war nicht zu verkennen. 
Seine Begleiter schickten sich zur Vertheidigung an, aber er selbst wehrte 
es ihnen, wies auf den unmittelbaren Beistand Gottes hin und erin¬ 
nerte an das Wort der Schrift: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.