167 
standen ans, um ins gelobte Land zu ziehen, zum Kriege gegen die 
Ungläubigen. 
Dieser allgemeinen Bewegung bemeisterte sich nun der Papst, 
Urbanus II. Er berief 1095 eine große Kirchenversammlung nach 
Clermont. Da waren 14 Erzbischöfe, 225 Bischöfe, 400 Aebte 
und Laien ohne Zahl. Mit begeisterter Rede forderte er das Volk 
zur Befreiung des heiligen Grabes auf. Und es horchte, hinge¬ 
rissen, in Thränen und Seufzern, und rief wie aus Einem Munde: 
»Gott will's! Gott will's!« Da heftete sich Jeder ein rothes Kreuz 
auf die rechte Schulter und machte sich zur kriegerischen Wallfahrt 
bereit, welche davon der »Kreuzzug« hieß. Da schenkte mancher 
reiche Herr all' sein Hab und Gut an Kirchen und Klöster und 
wollte kein Eigenthum mehr haben, als das Schwert zu Christi 
Ehren. Niemand dachte mehr an Haus, Hof und Vaterland, Eltern 
und Kinder, sondern nur ans ferne Morgenland. Bald hatten sich 
viele Haufen gemeinen Volks gesammelt, ohne rechte Waffen, wie 
ohne Zucht und Ordnung, und folgten einem Abenteurer, Walter, 
zubenannt der »Habenichts«, und dem Petrus von Amiens aus 
Frankreich gen Deutschland. Da sahen die Deutschen anfangs mit 
Erstaunen auf sie, und konnten, so fromm sie selber waren, doch das 
Treiben der wilden Haufen nicht begreifen. In der Raserei ihres 
Eifers zertrümmerten diese jede Schranke und erschlugen die Juden 
in Deutschland unter grausamen Martern, wo sie dieselben fanden. 
Als sie aber gen Aufgang der Sonne kamen, mußten sie diesen 
Frevel und ihre Zuchtlosigkeit büßen, und wurden allenthalben als 
Straßenräuber erschlagen. 
Indessen hatte jene religiöse Begeisterung allmälig auch die deut¬ 
schen Herzen durchdrungen, und zugleich erwachte in ihnen der Trieb 
nach kühnen Abenteuern. Da schaarte sich.iin Jahre 1096 ein zahl¬ 
reiches Heer von Kreuzfahrern, wohlgerüstet und in guter Zucht, 
rings um den frommen Gottfried von Bouillon, Herzog von 
Niederlothringen; mit ihm zogen noch viele tapfere Helden, an welche 
sich wiederum viele Krieger anschlossen. Sv stand fast eine halbe 
Million Menschen in Wehr und Waffen, alle von einem einzigen 
Gedanken durchdrungen, alle iin festen Vertrauen, daß Gott ihnen 
den Sieg geben werde. 
So zogen sie in die Länder gen Aufgang. Sie erreichten glück¬ 
lich Kleinasien und kamen nach Joppe und Gaza; aber Seu¬ 
chen, Hunger und das Schwert der Türken hatten ihre Reihen so 
gelichtet, daß ihrer nur noch 21,000 am Leben waren. Dennoch 
vollbrachten sie hohe Kriegsthaten zum Erstaunen der Welt. Sie 
eroberten die festen Städte Edessa und Antiochien, zogen weiter 
gen Mittag und erblickten nach vielen Gefahren endlich vom Berge 
herab die Zinnen Jerusalems. Da stürzten sie auf den Boden, 
küßten die Erde und weinten vor Freuden. Klein war ihre Zahl,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.